LG Hamburg, Urteil vom 12.07.1999 – 301 T 222/99
Betreuerbestellung trotz Generalvollmacht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Mit Schreiben vom 8. Februar 1999 regte der Beteiligte zu 2) gegenüber dem Amtsgericht an, für den Betroffenen – seinen Vater – eine Betreuung einzurichten. Der Betroffene war am selben Tage von der zuständigen Behörde nach dem HmbPsychKG im Klinikum Nord Ochsenzoll untergebracht worden.
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In der schriftlichen Stellungnahme vom 9. März 1999 vertrat die Betreuungsstelle Mitte die Auffassung, dass von einer Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen abgesehen werden könne, da eine relativ neue Vorsorge- und Generalvollmacht vorliege. Mit notarieller Urkunde vom 12. Mai 1997 hatte der Betroffene dem Beteiligten zu 1) Generalvollmacht erteilt, die zugleich als Vorsorgevollmacht Geltung haben sollte, dabei sollte der Bevollmächtigte u.a. befugt sein,
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„im Falle meiner Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit alle für mich notwendigen Maßnahmen einzuleiten und zu ergreifen, die für mein körperliches und leibliches Wohl erforderlich erscheinen, insbesondere folgenden Aufgabenkreis für mich wahrnehmen:
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a) Sorge für meine Gesundheit,
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b) Aufenthaltsbestimmung,“
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Am 8. März 1999 hörte die Amtsrichterin den Betroffenen persönlich in Anwesenheit u.a. des Beteiligten zu 1) sowie der Rechtsanwältin … die dem Betroffenen auch für das Betreuungsverfahren zur Verfahrenspflegerin bestellt wurde, an. Für das Ergebnis dieser Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts von diesem Tage Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 8. März 1999 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 1) zum Betreuer und den Beteiligten zu 2) zum Ersatzbetreuer für den Betroffenen mit den Aufgabenkreisen „Sorge für die Gesundheit des Betroffenen und Aufenthaltsbestimmung“.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Verfahrenspflegerin des Betroffenen mit Schriftsatz vom 16. April 1999. Sie vertritt die Auffassung, der Einrichtung einer Betreuung bedürfe es im vorliegenden Falle nicht, weil der Betroffene bereits mit notarieller Urkunde vom 12. Mai 1997 für den Fall seiner Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit den Beteiligten zu 1) bevollmächtigt habe, die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung für ihn wahrzunehmen.
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Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird im übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde ist gemäß den §§ 19, 20 Abs. 1 FGG zulässig. Die Verfahrenspflegerin ist berechtigt, im Interesse des Betroffenen Beschwerde gegen die Betreuerbestellung einzulegen (vgl. Keidel/Kayser, FGG 14. Aufl. Rdn. 8 b zu § 69 g FGG; Damrau/Zimmermann, Betreuung und Vormundschaft, 2. Aufl. Rdn. 5 zu § 69 g FGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
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Zu Recht hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 1896 BGB für den Betroffenen eine Betreuung eingerichtet mit den Aufgabenkreisen „Sorge für die Gesundheit und Aufenthaltsbestimmung“.
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen … anläßlich der Anhörung des Betroffenen am 8. März 1999 durch das Amtsgericht liegt bei dem Betroffenen ein mittelgradiges Demenzsyndrom vor. Der Betroffene ist nicht ausreichend orientiert und leidet unter erheblichen Merkfähigkeitsstörungen. Der Betroffene wähnt sich durchgängig in einem Zeitraum von vor ungefähr 20 bis 30 Jahren in seiner Heimatstadt Wien. Diese Vorstellung ist für den Betroffenen absolut handlungsbestimmend. Der Betroffene kann sich außerhalb eines geschlossenen Rahmens nicht mehr zurechtfinden und muss als hilflose Person betrachtet werden. Über die Orientierungs- und Merkfähigkeitsstörungen hinaus leidet der Betroffene auch unter Defiziten seiner Alltagskompetenz. Er muss zu nahezu allen Verrichtungen des täglichen Lebens, so z.B. bei der Körperhygiene und beim Ankleiden angeleitet werden.
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Entgegen der Auffassung seiner Verfahrenspflegerin läßt die von dem Betroffenen am 12. Mai 1997 dem Beteiligten zu 1) erteilte Generalvollmacht die Notwendigkeit einer Betreuung nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB nicht entfallen. Zwar hat der Betroffene insoweit den Beteiligten zu 1) u.a. befugt, im Falle seiner Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit für ihn alle notwendigen Maßnahmen einzuleiten und zu ergreifen, die sein körperliches und leibliches Wohl erforderlich machen und insbesondere die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung wahrzunehmen. Die insoweit von dem Betroffenen dem Beteiligten zu 1) erteilte rechtsgeschäftliche Vollmacht ist jedoch nicht hinreichend bestimmt und kann daher nicht Grundlage zur Wahrnehmung höchstpersönlicher Angelegenheiten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten sein.
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Zwar ist durch das BtÄndG, das ab 1. Januar 1999 in Kraft ist, vom Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen worden, Angelegenheiten der Personensorge zum Gegenstand einer Vorsorgevollmacht zu machen. Sowohl § 1904 Abs. 2 BGB als auch § 1906 Abs. 5 BGB sehen aber jeweils vor, dass die vom Betroffenen erteilte schriftliche Vollmacht in den höchstpersönlichen Angelegenheiten die jeweiligen Maßnahmen – Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bei einer besonderen Gefahrenlage bzw. die Einwilligung in eine Unterbringung des Betroffenen oder zur Anwendung unterbringungsähnlicher Maßnahmen – ausdrücklich umfasst. In der Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 13/7158, heißt es hierzu auf Seite 34:
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„Nach dem neu angefügten § 1904 Abs. 2 soll auch der Bevollmächtigte zur Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfen, wenn die in § 1904 Abs. 1 S. 1 näher beschriebenen Gefahren bestehen. Die Einwilligungsbefugnis soll von einer Vollmacht zudem nur dann umfasst werden, wenn die Vollmacht schriftlich erteilt ist und sich ausdrücklich – zumindest auch – auf Untersuchungen des Gesundheitszustandes, auf Heilbehandlung oder ärztliche Eingriffe bezieht.
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Entsprechendes soll nach dem neuen § 1906 Abs. 5 für Unterbringungen oder unterbringungsähnliche Maßnahmen gelten: Sie werden von einer Vollmacht nur dann umfasst, wenn die Vollmacht schriftlich erteilt ist und sich ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Unterbringung oder unterbringungsähnlichen Maßnahmen erstreckt. …
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Mit den vorgeschlagenen Regelungen wird die praktische Bedeutung der Vorsorgevollmacht und damit zugleich die Fähigkeit des Betroffenen, in voller geistiger Klarheit über sein künftiges Wohl und Wehe zu entscheiden, gestärkt. Andererseits wird sichergestellt, dass Vorsorgevollmachten in höchstpersönlichen Angelegenheiten nicht voreilig erteilt und dass einschneidende Maßnahmen des Bevollmächtigten vom Vormundschaftsgericht kontrolliert werden.“
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Auch wenn es sich bei den in §§ 1904 und 1906 BGB genannten Maßnahmen um für den Betroffenen besonders einschneidende handelt, ist es nach Auffassung der Kammer auch darüber hinaus bei allen Vollmachten, die höchstpersönliche Angelegenheiten des Betroffenen betreffen – soweit eine Stellvertretung nicht gesetzlich ausgeschlossen ist, wie z.B. bei der Eheschließung und bei letztwilligen Verfügungen –, erforderlich, dass der Umfang der Bevollmächtigung unmissverständlich und klar benannt wird. So hat eine Vollmacht im Bereich der Gesundheitssorge ausdrücklich anzugeben, ob der Bevollmächtigte von dem behandelnden Arzt des Betroffenen über dessen Gesundheitszustand und die erforderliche Heilbehandlung Auskunft erhalten soll, der Arzt insoweit von seiner Schweigepflicht entbunden ist. Des weiteren ist ausdrücklich aufzunehmen, dass der Bevollmächtigte die Befugnis haben soll, in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes und eine Heilbehandlung des Betroffenen oder in einen ärztlichen Eingriff bei dem Betroffenen einzuwilligen, wobei es im Hinblick auf § 1904 Abs. 2 darüber hinaus gesondert erforderlich ist, klarzustellen, dass diese Befugnis des Bevollmächtigten selbst dann gelten soll, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene aufgrund der Maßnahmen stirbt oder einen schweren oder länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ebenfalls einer gesonderten Klarstellung bedarf es, wenn die Vollmacht auch das Recht umfassen soll, über die Anwendung neuer, noch nicht zugelassener Medikamente und Behandlungsmethoden bei dem Betroffenen zu entscheiden. Hinsichtlich der Aufenthaltsbestimmung, insbesondere im Rahmen der Gesundheitsfürsorge, ist ausdrücklich anzugeben, dass der Bevollmächtigte den Aufenthalt und die Unterbringung des Betroffenen bestimmen können soll, und zwar selbst dann, wenn dieses mit einer vorübergehenden oder dauernden Entziehung seiner Freiheit durch geschlossene Türen, aber auch durch Bettgitter, Bauchgurt oder andere mechanische Verrichtungen, durch Medikamente oder in anderer Weise verbunden ist.
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Nur bei einer derart konkreten und für den jeweiligen Vollmachtgeber nachvollziehbaren Beschreibung der einzelnen Befugnisse des Bevollmächtigten kann sichergestellt werden, dass er in vollem Umfang die von ihm dem Bevollmächtigten erteilte Vertretungsbefugnis in seinen höchstpersönlichen Angelegenheiten verstanden hat und eine Bevollmächtigung in diesem Umfang auch tatsächlich wünscht.
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Diesen Voraussetzungen genügt die vom Betroffenen am 12. Mai 1997 dem Beteiligten zu 1) erteilte Vollmacht nicht. Die in dieser Vollmacht benannten abstrakten Begriffe der „Sorge für meine Gesundheit“ und „Aufenthaltsbestimmung“ konnten dem Betroffenen den Umfang der von ihm hiermit auf den Beteiligten zu 1) übertragenen Rechtsbefugnisse in keiner Weise erkennbar machen. Die insoweit vorgenommene Bevollmächtigung des Beteiligten zu 1) durch den Betroffenen ist somit unwirksam.
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Die Auswahl der Person des Betreuers sowie des Ersatzbetreuers durch das Amtsgericht sind ebensowenig zu beanstanden wie die Festsetzung des Zeitpunktes, zu dem das Gericht spätestens über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung zu entscheiden hat.
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Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
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Von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht hat die Kammer ausnahmsweise gemäß § 69 g Abs. 5 S. 3 FGG abgesehen. Die Amtsrichterin hat den Betroffenen in erster Instanz angehört. Von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten. Weder die Sach- noch die Rechtslage hat sich seit der Entscheidung des Amtsgerichts geändert. Vorliegend war lediglich eine Rechtsfrage zu entscheiden, für die es keines besonderen persönlichen Eindrucks des Beschwerdegerichtes von dem Betroffenen bedarf.
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Einer Kostenentscheidung bedurfte es vorliegend ebensowenig wie der Festsetzung eines Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren.