Zum Genehmigungserfordernis für den Abbruch einer künstlichen Ernährung

AG Nordenham, Beschluss vom 20.03.2011 – 9 XVII 8/00

Zum Genehmigungserfordernis für den Abbruch einer künstlichen Ernährung

Tenor

Dem Betreuer wird die Genehmigung erteilt, seine Einwilligung in die Versorgung der Betreuten mittels einer PEG-Sonde in der Form zu widerrufen, als die Ernährung über die PEG-Sonde beendet werden kann, die Flüssigkeitsmenge reduziert werden kann und eine medikamentöse Schmerztherapie aufrechtzuerhalten ist.

Dieser Beschluss wird 2 Wochen nach der Bekanntgabe an den Betreuer sowie an den Verfahrenspfleger wirksam.

Gründe
1
Mit Beschluss vom 11. April 2000 wurde der Ehemann der Betroffenen, Herr ………., zu deren Betreuer mit einem umfassenden Aufgabenkreis bestellt, welcher auch die Gesundheitssorge umfasst. Nach wiederholter Verlängerung der Betreuung ist der Überprüfungszeitpunkt der 15. Februar 2017. Eine Patientenverfügung hat die Betroffene nicht erstellt.

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Vor der Einrichtung der Betreuung berichtete die Leitende Ärztin für Neurologie und Psychiatrie der Klinik…………….., dass bei der Betroffenen ein generalisiertes, rechtsbetontes Parkinson-Syndrom seit etwa 1993 vorliege, verbunden mit optischen Halluzinationen, Konzentrations-, Merkfähigkeits- und Orientierungsstörungen seit 1998. Es liege der Verdacht auf einen dementiven Prozess vor. Ein adäquates Gespräch mit der Betroffenen sei nicht mehr möglich, seit Juni/Juli 1999 sei eine kontinuierliche Verschlechterung des Zustandes zu verzeichnen. Zurzeit sei die Betroffene vollständig pflegebedürftig, sie habe bereits die Pflegestufe II.

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Am 18. Februar 2000 berichtete der Leitende Funktionsbereichsarzt des damaligen Landeskrankenhauses ……, Gerontopsychiatrische Abteilung, bei der Betroffenen bestehe eine senile Demenz sowie ein seit 1993 bestehendes Parkinson-Syndrom. Es liege eine ständige Desorientiertheit und Verwirrtheit vor, eine eigenständige körperliche Pflege und regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sei nicht mehr möglich. Eine signifikante Verbesserung des Zustandsbildes sei aller Voraussicht nach nicht zu erwarten.

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Am 07. März 2000 wurde die Betroffene aus dem damaligen Landeskrankenhaus ….. entlassen und in dem Seniorenheim ……. aufgenommen. In der Zeit vom 26. Mai 2000 bis zum 04. August 2000 war die Betroffene dann wieder in dem damaligen Landeskrankenhaus ….. zwecks Neueinstellung der Medikation. Dieses führte dann jedoch zur Nahrungsverweigerung, weswegen am 21. Juli 2000 eine Ernährungssonde durch die Bauchwand in den Magen gelegt wurde. Seit dem 01. August 2000 hat die Betroffene die Pflegestufe III.

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In den jährlichen Folgeberichten teilte der Betreuer sodann mit, dass sich der allgemeine und gesundheitliche Zustand der Betroffenen kontinuierlich verschlechterte. Die Betroffene sei vollständig bettlägerig, sie müsse regelmäßig umgelagert werden. Es sei nur noch ein Dahinsiechen, was sich seine Ehefrau für ihr Alter nicht gewünscht habe. Aufgrund von Differenzen mit der Heimleitung fand sodann am 30. Mai 2008 ein Wechsel des Seniorenheimes statt.

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Ende des Jahres 2010 spitzte sich die Lage sodann zu, als der Betreuer zunehmend eine Beendigung der Leiden seiner Ehefrau anstrebte. Eine einvernehmliche Entscheidung unter Einbeziehung der behandelnden Hausärztin ……… kam jedoch nicht zustande, da diese nach den Mitteilungen des Heimleiters vom 01. November 2010 bzw. des Betreuers vom 07. November 2010 wünschte, dass die Betroffene weiterhin über die PEG-Sonde reduziert ernährt wird. Mit Schreiben vom 08. November 2010 ließ die Hausärztin ……. mitteilen, nach ihrer Ansicht sei es Aufgabe des Gerichts, insoweit sich statt des behandelnden Arztes zu äußern. Hierauf stellte der Betreuer am 19. November 2010 im Rahmen einer persönlichen Anhörung den Antrag auf Genehmigung des Abbruchs lebenserhaltender Maßnahmen.

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Das Gericht hat hierauf die nächsten Angehörigen der Betroffenen angehört, nämlich den Bruder der Betroffenen, Herrn …….., sowie die drei Kinder …….. ……. Während sich . ………………… im Sinne des Bestrebens des Betreuers allgemein geäußert haben, haben die Kinder der Betroffenen und des Betreuers ……………………. in den mündlichen Anhörungen vom 30. Dezember 2010 und 07. Januar 2011 umfassende und auch ins Detail eingehende Angaben zur Einstellung ihrer Mutter gemacht. Auf die beiden Niederschriften vom 30. Dezember 2010 und 07. Januar 2011 wird insoweit Bezug genommen. Das Gericht hat weiterhin ein umfassendes Sachverständigengutachten des Dr. med….. …….. . eingeholt. Auf das Gutachten vom 02. Februar 2011 wird insoweit Bezug genommen. Das Gericht hat sich schließlich einen persönlichen Eindruck von der Betroffenen am 15. Februar gemacht. Eine irgendwie geartete Kontaktaufnahme mit der Betroffenen in verbaler oder sonstiger Form war nicht mehr möglich, sie hinterließ vielmehr einen stark geschwächten Eindruck. Der von dem Gericht bestellte Verfahrenspfleger Herr ………. hat sodann in seiner abschließenden Stellungnahme vom 25. Februar 2011 ausgeführt, die Ermittlungen hätten ein homogenes Bild bezüglich des mutmaßlichen Willens der Betroffenen ergeben, er trete einer Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen nicht entgegen.

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Nach Würdigung der dargestellten Erkenntnisquellen hat das Gericht die von dem Betreuer beantragte Genehmigung in dem von dem Sachverständigen ………… vorgeschlagenen Rahmen erteilt.

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Nach § 1904 Abs. 2 BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf einer Einwilligung des Betreuers in einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass die Betroffene aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Unstreitig ist insoweit, dass die mit Hilfe einer Magensonde durchgeführte künstliche Ernährung einen ärztlichen Eingriff im Sinne der zitierten Vorschrift darstellt, die der Einwilligung des Patienten bzw. des Betreuers bedarf (BGH, FamRZ 2005, S. 1474, 1475). Nach § 1904 Abs. 3 BGB ist die Genehmigung zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen der Betroffenen entspricht. Maßgeblich für die Entscheidung des Betreuers ist somit, wie im gesamten Betreuungsrecht, der Wunsch und Wille der Betroffenen selbst. Dieses zeigt sich bereits in der allgemeinen Vorschrift des § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach der Betreuer den Wünschen der Betroffenen zu entsprechen hat, soweit dieses deren Wohl nicht zuwider läuft. Dieses gilt nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB auch für Wünsche, die die Betroffene vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, es sei denn, dass die Betroffene an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will. Entsprechend dieser grundsätzlichen Richtungsentscheidungen des gesamten Betreuungsrechts hat der Betreuer auch für einen Fall wie den vorliegenden letztendlich keine eigene Entscheidung zu treffen, sondern den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen der Betroffenen umzusetzen. Entsprechend bestimmt § 1901 a Abs. 2 BGB, dass in dem Fall, in dem keine Patientenverfügung vorliegt, der Betreuer den mutmaßlichen Willen der Betroffenen festzustellen hat und auf dieser Grundlage zu entscheiden hat. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen der Betroffenen. Auch diese Vorschrift zeigt somit, dass es nicht Aufgabe des Betreuers ist, seine eigenen Vorstellungen an die Stelle der der Betroffenen zu setzen, sondern deren erklärten oder festgestellten Willen umzusetzen. Insoweit stellt die zitierte neue Gesetzeslage im Grunde eine Fortsetzung der Grundsätze dar, welche der Bundesgerichtshof in seiner Leitentscheidung vom 17. März 2003 aufgestellt hat (BGH, NJW 2003, S. 1588 ff.). Auch in dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Verpflichtung des Betreuers und im Konfliktfalle des Gerichts umschrieben, seine Entscheidung am tatsächlichen oder mutmaßlichen maßgeblichen Willen der Betroffenen auszurichten. Im Ergebnis trifft der Betreuer keine eigene Entscheidung, sondern setzt die der Betroffenen um.

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Voraussetzung für eine Entscheidung ist jedoch, dass die entsprechende Maßnahme überhaupt ärztlicherseits angeboten wird. Aus ärztlicher Sicht muss die angebotene Maßnahme somit zumindest indiziert sein, um das Leben der Betroffenen aufrechtzuerhalten bzw. deren Leiden zu lindern. Entsprechend hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 17. März 2003 entschieden, dass für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Betreuungsgerichts kein Raum ist, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung nicht angeboten wird, sei es, dass diese von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. Insoweit liegen im vorliegenden Falle lediglich die Mitteilungen des Heimleiters vom 01. November 2010 und des Betreuers vom 07. November 2010 vor, dass die behandelnde Hausärztin weiterhin wolle, dass die Betroffene über eine Sonde reduziert ernährt wird.

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Gemäß § 1901 b Abs. 1 BGB prüft der behandelnde Arzt grundsätzlich, welche ärztliche Maßname im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose der Betroffenen indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1901 a BGB zu treffende Entscheidung. Entsprechend ist gemäß § 1904 Abs. 4 BGB eine Genehmigung des Gerichts nicht erforderlich, wenn zwischen dem Betreuer und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901 a BGB festgestellten Willen der Betroffenen entspricht. Im Ergebnis ist für eine Entscheidung des Gerichts sodann nur dann Raum und Bedarf, wenn ein konkretes ärztliches Behandlungsangebot besteht und bei der Feststellung des Patientenwillens ein Dissens zwischen Betreuer und behandelndem Arzt aufgetreten ist. Insoweit besteht durchaus eine Verpflichtung des behandelnden Arztes, mit dem Betreuer die angebotenen ärztlichen Maßnahmen und die Feststellung des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens der Betroffenen zu erörtern (Rausch in Schulte-Bunert, Weinreich, Kommentar zum FamFG, 2. Aufl. 2010, § 298 Randnote 12 a).

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Im vorliegenden Fall ist jedoch der Sonderfall eingetreten, als die behandelnden Ärztin die weitere Ernährung mittels PEG-Sonde zwar offenkundig konkret anbietet, jedoch sich den vorgenannten Erörterungen nachhaltig verweigert. Sie vertritt vielmehr die irrationale Auffassung, dass die entsprechende Erörterung nicht ihre Sache sei, sondern die des Gerichts. Auch dem Verfahrensbevollmächtigten des Betreuers ist es nicht gelungen, die Ärztin zu der entsprechenden Erörterung zu bewegen.

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Grund der Bestimmungen der §§ 1904 Abs. 4, 1901 b Abs. 1 BGB ist, nach Möglichkeit ein aufgrund der bestehenden Verfahrensvorschriften langwieriges und aufwendiges Genehmigungsverfahren zu verhindern und eine gerichtliche Entscheidung nur dann erforderlich zu machen, wenn es zu einem tatsächlichen Konfliktfall zwischen Betreuer und behandelndem Arzt gekommen ist (Rausch, a.a.O; zur alten Rechtslage BGH, FamRZ 2005, S. 1474, 1475 sowie BGH, NJW 2003, S. 1588 ff.). Auch in diesem Punkt ist die nunmehr normierte Rechtslage durchaus als Fortsetzung der von dem Bundesgerichtshof in der Leitentscheidung vom 17. März 2003 aufgestellten Grundsätze zu betrachten, als eine gerichtliche Entscheidung grundsätzlich nur im Konfliktfall erforderlich ist. Insoweit wird der Entscheidung, die Betreuer und behandelnder Arzt treffen, durchaus ein erhöhtes Vertrauen entgegengesetzt, welche nur im Falle offenkundiger Fehler einer Missbrauchskontrolle des Gerichts unterliegt. Hierzu hat der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung vom 17. März 2003 ausgeführt: „Die Beschränkung des Prüfungsvorbehalts auf Fälle, in denen eine lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlung des Betroffenen medizinisch indiziert ist oder jedenfalls ärztlicherseits angeboten wird, der Betreuer aber in die angebotene Behandlung nicht einwilligt, stellt schließlich sicher, dass die Vormundschaftsgerichte nur in Konfliktlagen angerufen werden können; damit wird vermieden, dass die Vormundschaftsgerichte generell zur Kontrolle über ärztliches Verhalten am Ende des Lebens berufen und dadurch mit einer Aufgabe bedacht werden, die ihnen nach ihrer Funktion im Rechtssystem nicht zukommt, nicht ohne weiteres auf Fälle der Betreuung einwilligungsunfähiger Patienten beschränkt werden könnte und wohl auch sonst ihre Möglichkeiten weit überfordern würde.“ Auch die nunmehrige Normierung führt diese Rechtsgrundsätze fort.

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Ob ein derartiger Konfliktfall vorliegt, kann das Gericht im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen, da sich die behandelnde Hausärztin der Betroffenen ihren Verpflichtungen nachhaltig aus Gründen, die dem Gericht nur außerhalb des Verfahrens bekannt geworden sind, nachhaltig entzieht. Da sich der Betreuer auf Vorschlag des Gerichts und auch seines eigenen Verfahrensbevollmächtigten nicht mit der Überlegung anfreunden konnte, sich einmal Gedanken darüber zu machen, ob die Betroffene noch von der richtigen Hausärztin versorgt wird, ist in einem solchen Fall ebenfalls eine Entscheidung des Gerichts erforderlich. Die Nichtäußerung der behandelnden Hausärztin ist insoweit einem offenkundigen Dissens gleichzustellen. Eine Übereinstimmung der Feststellung eines konkreten Behandlungsangebotes und insbesondere des mutmaßlichen Patientenwillens zwischen Betreuer und Hausärztin kann nicht festgestellt werden. Der vorliegende Fall entzieht sich somit auch der Entscheidung mittels eines sogenannten Negativattestes, wie es in der jüngeren Rechtsprechung wiederholt diskutiert wird (Landgericht Kleve, NJW 2010, S. 2266 ff.).

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Da sich die behandelnde Ärztin ihrer Verpflichtung nachhaltig entzieht, beschränkt sich die Aufgabe des Gerichts somit nicht auf eine reine kursorische Missbrauchskontrolle, sondern es ist eine unter Berücksichtigung der entsprechenden Verfahrensvorschriften zu fällende eigene Entscheidung des Gerichts erforderlich.

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Neben der umfassenden Anhörung der Verfahrensbeteiligten und der Angehörigen der Betroffenen hat das Gericht gemäß § 298 Abs. 3 FamFG der Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellt, ferner nach § 298 Abs. 4 FamFG ein umfassendes Sachverständigengutachten eingeholt, wobei der das Gutachten erstattende Arzt nicht mit dem behandelnden Arzt identisch sein soll.

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Eine irgendwie festgehaltene Patientenverfügung der Betroffenen liegt nicht vor. Bei der Feststellung des mutmaßlichen Willens der Betroffenen hat sich das Gericht insbesondere an die Ausführungen des Bruders und der drei Kinder der Betroffenen gehalten. Während die Ausführungen des Bruders …… und des Sohnes ……. recht allgemein gehalten waren, jedoch auch in Richtung der getätigten Feststellungen gingen, waren insbesondere die umfassenden mündlichen Ausführungen des Sohnes …… und der …….. in den Anhörungsterminen vom 30. Dezember 2010 und 07. Januar 2011 zur Erkenntnisgewinnung sehr hilfreich. So hat der Sohn ……… dargestellt, dass seine Mutter in Anbetracht zweier Fälle von Krebserkrankungen im Familienkreis geäußert hat, dass sie auf jeden Fall ein langes Dahinsiechen nicht für sich haben wolle. Sie habe stets den Wunsch geäußert, dass es bei ihr einmal schnell gehen solle. Einen dieser Fälle habe seine Mutter auch noch bei vollem Bewusstsein mitbekommen und sie habe die Erkrankte auch noch besucht. Die Erkrankung habe viele Jahre angedauert und hierbei habe die Betroffene geäußert, dass sie nicht solange liegen und dahinsiechen wolle. Die Betroffene habe den Krankheitsprozess auch aus nächster Nähe mitbekommen, da die Betroffene die Erkrankte wiederholt zu ärztlichen Behandlungen und Bestrahlungen gefahren habe. Weiterhin hat der Sohn ……. ausgeführt, seine Mutter sei stets eine starke Persönlichkeit gewesen, die gut für andere sorgen konnte, während sie selbst absolut nicht ins Krankenhaus habe gehen wollen. So habe sie auch gesagt, dass die Kinder sie nicht besuchen sollten, wenn sei selbst einmal liege, d. h., dass sie nicht sehen sollten, wie sie dann, wenn sie pflegebedürftig geworden ist, aussieht. Dieses habe sie auch noch nach der bei ihr festgestellten Parkinsonerkrankung so gesagt.

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Die Tochter ……… hat ausgeführt, ihre Mutter habe des Öfteren geäußert, dass sie Angst vor dem Sterbevorgang habe, d. h., dass es schnell gehen solle. Konkret sei das um das Jahr 1995 herum gewesen, als es wiederholt zu Besuchen ihrer Mutter bei ihr gekommen sei. Hier habe ihre Mutter auch gesagt, dass sie Angst vor der Parkinsonerkrankung habe. So recht habe sie mit der Diagnose nichts anfangen können, auf jeden Fall habe ihre Mutter jedoch wiederholt geäußert, dass sie kein Pflegefall werden wolle, d. h., dass sie dann nicht herumliegen und praktisch verfaulen wolle. Auch könne sie sich an den Fall einer Krebserkrankung einer Tante der Familie in …… erinnern. Auch könne sie sich daran erinnern, dass ihre Mutter starke Abneigung gegen Krankenhausbesuche hatte. Sie sei ein Mensch gewesen, der niemanden zur Last habe fallen und sich nicht habe helfen lassen wollen. Diese Ausführungen stimmen wie erwähnt überein mit denen der weiteren Angehörigen, so dass das Gericht bei der Feststellung des mutmaßlichen Willens der Betroffenen letztendlich keinen Zweifel daran hat, dass dieser die nunmehr getroffene Entscheidung des Betreuers deckt. Zu berücksichtigen ist insoweit der lange Krankheitsverlauf der Betroffenen, welcher dem Gericht nunmehr bereits seit Einrichtung der Betreuung vor über 10 Jahren ebenfalls bekannt ist. Ohne Aussicht auf eine Besserung befindet sich die Betroffene seit über 10 Jahren in einem Pflegeheim, muss durch Hilfe Dritter umgelagert werden und künstlich ernährt und mit Medikamenten versorgt werden. Bereits im Jahre 2000 beschrieben die ………. und das damalige Landeskrankenhaus …… die kontinuierliche Verschlechterung des Zustandes der Betroffenen, ferner, dass eine signifikante Verbesserung des Zustandsbildes aller Voraussicht nach nicht zu erwarten sei. Dieses entspricht auch den wiederholten Anhörungen bzw. Gewinnungen des persönlichen Eindrucks von der Betroffenen, welche das Gericht im Laufe des Betreuungsverfahrens durchgeführt hat, ferner auch den jährlichen Berichten des Betreuers. Am 15. Februar 2011 hat das Gericht schließlich die Betroffene nur noch reglos mit offenem Mund im Bett liegend angetroffen. Sie reagierte in keiner Form mehr auf Ansprache. Körperlich machte sie einen sehr abgemagerten und geschwächten Eindruck. Aus den von den Angehörigen mitgeteilten Äußerungen und Wertvorstellungen der Betroffenen, ferner aus deren grundsätzlicher Einstellung zu der Frage des Sterbens sowie aus der stetigen Verschlechterung des Krankheitsbildes hat das Gericht letztendlich keinen vernünftigen Zweifel daran, dass die getroffene Entscheidung des Betreuers deren mehrfach geäußerten und nunmehr mutmaßlichen Willen repräsentiert.

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Voraussetzung für die zu erteilende Genehmigung ist ferner, dass das Grundleiden der Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat. Dieses hat der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung vom 17. März 2003 so aufgestellt und ist auch nach der neueren Rechtslage nach wie vor erforderlich. Das Grundleiden der Betroffenen muss nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar sein und einen tödlichen Verlauf angenommen haben, wobei jedoch nicht erforderlich ist, dass der Tod in kurzer Zeit bevorsteht. Auch für den Fall, dass der Sterbevorgang noch nicht unmittelbar eingesetzt hat, ist eine Genehmigung denkbar, wobei in diesem Falle jedoch an die Annahme des mutmaßlichen Willens der Betroffenen erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Bei der Frage des unumkehrbaren tödlichen Verlaufes kommt dem Sachverständigengutachten des .Dr. med. ……. entscheidende Bedeutung zu. Der Sachverständige hat die Betroffene am 27. Januar 2011 persönlich untersucht. Entsprechend dem persönlichen Eindruck des Gerichts ist auch dem Sachverständigen eine kommunikative Kontaktaufnahme mit der Betroffenen in keiner Form gelungen. Ein Blickkontakt konnte nach dessen Feststellungen nicht aufgenommen werden. Die Betroffene ist vollständig pflegebedürftig. Sie muss künstlich ernährt werden und regelmäßig gelagert werden. Die Betroffene sei harn- und stuhlinkontinent und müsse auch insoweit vollständig versorgt werden. Mit sedierenden Medikamenten wird sie offenkundig nicht behandelt. Der Sachverständige hat insoweit eine fortgeschrittene Demenz durchaus bereits im fast terminalen Stadium festgestellt. Hinsichtlich der anzunehmenden Krankheitsprozesse sei die Betroffene bereits in ein nicht mehr differenzierbares Bild im Sinne einer „gemeinsamen Endstrecke“ eingemündet. Der unmittelbare Sterbevorgang habe zwar noch nicht eingesetzt, wohl aber sei der Weg in Richtung Tod angetreten worden, indem der Körper der Betroffenen erkennbar nach und nach seine Funktionen eingestellt habe. Unter Berücksichtigung dieser Sachverständigenfeststellungen und des persönlichen Eindrucks des Gerichts ist auch das Gericht der Überzeugung, dass ein Grundleiden besteht, welches nicht mehr im Sinne einer nachhaltigen Besserung umkehrbar ist, sondern durch Einstellung der einzelnen Körperfunktionen in einem mehr oder weniger lang dauernden Sterbeprozess zum Tode führen wird. Auch der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass Behandlungsmöglichkeiten nicht mehr bestehen, insbesondere keine Rehabilitationsmöglichkeiten mehr vorhanden sind.

20
Entsprechend dieser Feststellungen hat das Gericht die Genehmigung im Sinne der aufgeführten Maßnahmen erteilt. So ist das Gericht dem Vorschlag des Sachverständigen gefolgt, dass im Sinne einer bestmöglichen Linderung der Leiden der Betroffenen es vertretbar ist, dass die Ernährung über die PEG-Sonde beendet werden kann, die Flüssigkeitsmenge reduziert werden kann und die medikamentöse Schmerztherapie nach Bedarf weiter geführt werden muss. Die von dem Sachverständigen vorgeschlagenen pflegerischen Grundmaßnahmen sind aufrechtzuerhalten, insbesondere die von diesem dargestellte und für wichtig befundene Mundpflege. Die gewöhnliche Grundversorgung der Betroffenen ist somit weiterhin erforderlich, d. h., für diese haben Betreuer, Arzt und Pflegepersonal weiterhin zu sorgen, d. h., im vorliegenden Fall insbesondere eine menschenwürdige Unterbringung und Lagerung der Betroffenen, die entsprechende Körperpflege und die erforderliche Schmerzlinderung. Da es im vorliegenden Fall in der Vergangenheit bereits zu Differenzen zwischen einer Heimleitung und dem Betreuer gekommen ist, weist das Gericht abschließend darauf hin, dass das Heimpersonal an die Entscheidungen des Betreuers und des behandelnden Hausarztes bzw. im vorliegenden Fall des Gerichts grundsätzlich gebunden ist (BGH, FamRZ 2005, S. 1474 ff.).

21
Die Entscheidung über die Wirksamkeit der vorliegenden Genehmigung ergibt sich aus § 287 Abs. 3 FamFG.

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