LG Berlin, Urteil vom 19. Oktober 2009 – 25 O 456/09
Zur Haftung des Berufsbetreuers bei sachwidrigem Umgang mit Geld des Betreuten
Tenor
1. Der Arrestbeschluss und die einstweilige Verfügung vom 14.09.2009 werden bestätigt.
2. Die Arrest- und Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit eines Arrestbeschlusses und eines Beschlusses auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, die die Arrest- und Verfügungsklägerin – im Folgenden: Klägerin – gegen die Arrest- und Verfügungsbeklagte – im Folgenden: Beklagte – am 14.09.2009 erwirkt hatte. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
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Die Beklagte ist seit April 2007 zur Betreuerin ihres Bruders, des xxxxxxx , bestellt worden, auch im Hinblick auf Vermögenssorge.
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Im Oktober 2007 bestand zu seinen Gunsten bei der Berliner Bank ein Girokonto mit einem Guthaben von rund 3.000,00 Euro und ein Depotkonto mit einem Kurswert von über 205.000,00 Euro. Ferner bestand vorher ein Konto bei der Dresdner Bank.
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Zu dieser Zeit und schon mehrere Jahre vorher kannte Herr xxxxxxx die Klägerin, die in seiner Nachbarschaft wohnte und ihn häufig bei Behörden und Arztbesuchen mit einem Auto begleitete und die sich auch sonst um ihn kümmerte. Dieser hatte die Klägerin durch ein notarielles Testament vom 01.01.2006 als Alleinerbin eingesetzt.
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Herr xxxxxxx ist am 26.03.2009 verstorben. Der Klägerin ist am 03.06.2009 ein Erbschein erteilt worden (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg 60 VI 293/09). Die Beklagte hält das Testament wegen mangelnder Testierfähigkeit des Erblassers für unwirksam und hat es deshalb angefochten. Über diese Frage ist noch nicht entschieden worden.
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Seit April 2007 sind vom Konto bei der Berliner Bank regelmäßig Barabhebungen oder Abhebungen am Geldautomaten erfolgt, und zwar monatlich zunächst rund 1.500,00 Euro, ab Anfang 2008 etwa 2.000,00 Euro und später weit mehr.
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Die Beklagte fing im April 2008 auch an, Wertpapiere zu verkaufen und andere zu kaufen, schließlich aber wurden auch diese insgesamt veräußert. Die Erlöse wurden dem Girokonto gutgeschrieben. Seit Ende Oktober 2008 wurden mehrfach im Monat und in manchem Monat danach fast täglich 1.300,00 Euro bei einem Geldautomaten abgehoben, selbst noch nach dem Tod des Erblassers, z. B. am 07.04.2009, nochmals 1.300,00 Euro und schließlich am 12.04.2009 ein Restbetrag von 700,00 Euro. Schließlich befand sich auf dem Girokonto nur noch ein Restbetrag von 1.545,33 Euro.
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Die Beklagte hatte – nach ihrem Vorbringen in einem Strafantrag vom 04.04.2009 – einem Bekannten, Herrn xxxxxxx , im August 2008 die EC-Karte für das Girokonto ausgehändigt und ihm die PIN-Nummer mitgeteilt.
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Die Klägerin meint, dazu sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen und nimmt sie daher auf Schadensersatz in Anspruch. Wegen einer Forderung von 202.140,00 Euro hatte sie deshalb am 14.09.2009 einen dinglichen Arrest erwirkt.
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Außerdem hatte die Beklagte Versicherungsscheine, Sparbücher u. a. anlässlich der Wohnungsauflösung des Erblassers an sich genommen oder durch Herrn Strauch in dessen Besitz nehmen lassen, möglicherweise ohne ihr Wissen. Die Klägerin erwirkte deshalb am 14.09.2009 eine einstweilige Verfügung, auf Grund derer verschiedene Wertpapiere, Sparbücher und Sparurkunden, die auf den Namen des Erblassers lauten, an den Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben seien. Die Beschlüsse sind der Beklagten nach ihrem Vorbringen am 17.09.2009 zugestellt worden. Dagegen richtet sich ihr Widerspruch.
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Die Klägerin beantragt,
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wie im Tenor zu Nr. 1 erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Beschlüsse aufzuheben.
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Sie meint, die Zustellung sei an die Beklagte unwirksam, weil die Zustellung an sie persönlich und nicht an ihre Verfahrensbevollmächtigte erfolgt sei.
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Sie behauptet ferner, der Erblasser sei bereits im März 2006 testierunfähig gewesen, wie aus späteren Gutachten zu entnehmen sei, die sie vorlegt.
17
Die Beträge, die bis August 2008 abgehoben worden seien, hätte der Erblasser in Gegenwart der Klägerin erhalten, zum Teil auch die Klägerin selbst, wie diese teilweise einräumt.
18
Für den Erlass der einstweiligen Verfügung und des Arrestes hätte keinerlei Anlass bestanden.
19
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Beschlüsse sind nach §§ 925 Abs. 2, 936 ZPO zu bestätigen.
21
Die Beschlüsse sind ordnungsgemäß zugestellt worden. Selbst wenn man der Meinung wäre, die Zustellung hätte nach § 172 ZPO an die Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten zugestellt werden müssen, dann wäre dieser Mangel nach § 189 ZPO geheilt, weil die Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der Vollziehungsfrist von 1 Monat nach Erlass des Beschlusses Kenntnis von den Beschlüssen erhalten hat.
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Außerdem reicht das Verhandeln zwischen den Anwältinnen über die Frage, wer Erbe ist, nicht für eine Bestellung zum Prozessbevollmächtigten im Sinne des § 172 ZPO aus (vgl. BGH MDR 81, 126; Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 172 Rn. 7).
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Soweit es um den Arrest geht, folgt die Aktivlegitimation der Klägerin aus dem vorgelegten Erbschein (§ 1922 ff), auf Grund dessen sie die Rechtsnachfolgerin des Erblassers geworden ist.
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Diese Rechtsstellung hat sie ihm durch die Vorlage des Erbscheins hinreichend glaubhaft gemacht. Dies wird nicht ausreichend durch die fachärztlichen Stellungnahmen erschüttert, die aus dem Jahre 2007 stammen und nicht zwingend den Schluss auf die Testierunfähigkeit des Erblassers am 01.03.2006 zulassen.
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Der Arrestanspruch gegen die Beklagte ergibt sich aus § 1908 i BGB i. V. m. § 1833 BGB. Denn sie hätte nach § 1812 ff. BGB über die Wertpapiere nur mit Zustimmung des Gegenvormunds verfügen dürfen, die unstreitig nicht vorgelegen hat. Auch hätte sie dem Erblasser zu Lebzeiten nicht Geldbeträge von über 1.000,00 Euro monatlich zur freien Verfügung aushändigen dürfen. Auch damit hat sie in eklatanter Weise gegen ihre Pflichten als Betreuerin verstoßen. Wenn sie sich pflichtgerecht verhalten hätte, dann wären die Wertpapiere noch vorhanden gewesen, d. h. ein Betrag von ca. 200.000,00 Euro oder es wäre auf dem Girokonto ein Betrag von über 210.000,00 Euro zuletzt vorhanden gewesen, wenn man unterstellt, die Beklagte hätte die Papiere verkaufen dürfen. Die Übergabe der EC-Karte und der Nennung der PIN-Nummer einer dritten Person gegenüber durch die Beklagte war mindestens grob fahrlässig.
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Bei sachgerechter Handhabung ihrer Aufgabe als Betreuerin wäre das Vermögen des Erblassers sogar noch angewachsen, so dass der von der Klägerin geltend gemachte Betrag eher noch zu gering ist.
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Auf Grund der Umstände musste die Klägerin befürchten, die Beklagte habe zumindest einige Vermögensgegenstände und/oder Wertpapiere in ihrem Besitz und werde sie gegebenenfalls im Falle einer Klageerhebung beiseite schaffen, zumal sie auf Grund der Anforderung im Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 25.08.2009 keinerlei Erklärung abgegeben und statt dessen versucht hat, sich trotz Kenntnis des Erbscheins Dritten gegenüber als Alleinerbin auszugeben und über den Nachlass zu verfügen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Beklagte signalisiert hätte, sie sei bereit, den Nachlass gemeinsam zu sichern und eine Entscheidung des Nachlassgerichts abzuwarten. Statt dessen hat sie sich jedoch durch anwaltliches Schreiben vom 10.09.2009 mit unzutreffenden Angaben über den Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes erfolgreich versucht, die Auszahlung von Versicherungsleistungen an die Klägerin zu verhindern.
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Auch die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen. Denn die Klägerin hat aus den oben genannten Gründen ihre Rechtsstellung gegenüber der Beklagten glaubhaft gemacht. Da die Beklagte die Nachlassgegenstände herausgeben musste, durfte die Klägerin auf Grund des monatelangen Fehlverhaltens der Beklagten davon ausgehen, dass der Klägerin auch in Zukunft die Verwirklichung ihrer Rechte als Erbin ohne Erlass der einstweiligen Verfügung wesentlich erschwert würden.
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Der Umstand, dass die Vollstreckung aus den Beschlüssen im Wesentlichen nicht erfolgreich war, ändert an der Beurteilung nichts.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es in diesem Verfahren nicht.