BGH, Beschluss vom 10. Juni 2020 – XII ZB 355/19
1. Die allgemeine Hinzuziehung eines Dritten zu einem Betreuungsverfahren als Bestandsverfahren ist nicht zulässig (Fortführung von Senatsbeschluss vom 25. April 2018 – XII ZB 282/17, FamRZ 2018, 1251).(Rn.10)
2. Nach Beendigung des (Einzel-)Verfahrens, auf das sich der Hinzuziehungsantrag eines Angehörigen des Betroffenen bezieht, ist eine Beteiligung gegenstandslos. Das durch den Antrag auf Hinzuziehung eingeleitete Zwischenverfahren hat sich dann erledigt.(Rn.12)
3. Für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nicht-Hinzuziehung fehlt dem Angehörigen die Antragsbefugnis.(Rn.14)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 87 des Landgerichts Berlin vom 24. Juni 2019 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Wert: 5.000 €
Gründe
I.
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Der Beteiligte zu 1 erstrebt seine Hinzuziehung zum Betreuungsverfahren für seinen Sohn.
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Für den 1993 geborenen Betroffenen besteht seit Mai 2015 eine rechtliche Betreuung mit dem Aufgabenkreis „Aufenthaltsbestimmung zwecks psychiatrischer Heilbehandlung, Gesundheitssorge psychiatrisch“. Zum Berufsbetreuer ist der Beteiligte zu 2 bestellt. Der Beteiligte zu 1 wurde vom Amtsgericht am Verfahren über die erstmalige Betreuerbestellung sowie an mehreren Unterbringungsverfahren in den Jahren 2015 und 2016 beteiligt. Seit Mitte 2016 lehnt der Betroffene einen persönlichen Kontakt zum Beteiligten zu 1 ab.
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Im Jahr 2017 beantragte der Beteiligte zu 1 in zwei Instanzen erfolglos seine Beteiligung an einem Unterbringungsverfahren. Im vorliegenden Zwischenverfahren erstrebt er seine Hinzuziehung zum Betreuungsverfahren, nachdem er die Entlassung des Betreuers angeregt hatte. Das Amtsgericht hat seinen Antrag zurückgewiesen. Die von ihm eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.
II.
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Die aufgrund der Zulassung durch das Landgericht gemäß §§ 7 Abs. 5 Satz 1 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Juli 2015 – XII ZB 670/14 – FamRZ 2015, 1786 Rn. 4 mwN und vom 15. Februar 2012 – XII ZB 133/11 – FamRZ 2012, 960 Rn. 4 mwN) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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1. Nach Auffassung des Landgerichts sieht das Gesetz die vom Beteiligten zu 1 angestrebte generelle Beteiligung am Betreuungsverfahren als einem Bestandsverfahren nicht vor. Denn die Voraussetzungen der Hinzuziehung Dritter hingen maßgeblich vom Verfahrensgegenstand des jeweiligen einzelnen Verfahrens ab, welches mit einer Endentscheidung abgeschlossen werde. Über die Beteiligung naher Angehöriger sei in jedem selbständig geführten Verfahren gesondert zu entscheiden. Die Beteiligung gelte dann nur für dieses und nicht auch für weitere Verfahren.
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Derzeit sei ein Verfahren nicht anhängig. Das Verfahren auf Betreuerwechsel sei abgeschlossen, sodass für den Antrag auf Hinzuziehung das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Zwar habe das Amtsgericht spätestens mit der Durchführung eines Anhörungstermins ein solches Verfahren eingeleitet. Dieses sei aber nur kurze Zeit später wieder eingestellt worden, was aus dem Beschluss über die Ablehnung der Hinzuziehung wie auch aus dem diesbezüglichen Nichtabhilfebeschluss hervorgehe. Die umstrittene Frage, ob für eine Hinzuziehung auch noch nach Abschluss des Verfahrens ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen könne, sei zu verneinen. Sinn und Zweck einer Beteiligung sei es gerade, Einfluss auf eine erst zu treffende Entscheidung zu nehmen. Sie setze daher notwendigerweise die Möglichkeit voraus, dass die beteiligte Person auf das Verfahren in derselben Instanz noch Einfluss nehmen könne. Nach dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens könne dieser Zweck aber nicht mehr erreicht werden. Eine rückwirkende Beteiligung würde im Ergebnis ohne Einfluss auf das erstinstanzliche Verfahren bleiben und letztlich ins Leere laufen. Eine mangels tatsächlicher Beteiligung am erstinstanzlichen Verfahren fehlende Beschwerdeberechtigung eines nahen Angehörigen nach § 303 Abs. 2 FamFG könne nach Abschluss des ersten Rechtszugs nicht mehr nachträglich begründet werden.
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Für die im Beschwerdeverfahren beantragte Feststellung, dass der Beteiligte zu 1 an dem bereits abgeschlossenen Verfahren hätte beteiligt werden müssen, fehle eine Rechtsgrundlage. Die Hinzuziehung des Beteiligten zu 1 zu künftigen weiteren Verfahren könne nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sein.
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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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Nach § 7 Abs. 3 FamFG kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag weitere Personen als Beteiligte hinzuziehen, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist. Für Betreuungsverfahren mit den in § 274 Abs. 3 FamFG aufgeführten Gegenständen nennt § 274 Abs. 4 FamFG den als Kann-Beteiligte in Betracht kommenden Personenkreis, zu dem unter anderem auch die Eltern des Betroffenen gehören (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2017 – XII ZB 426/17 – FamRZ 2018, 368 Rn. 16 mwN).
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a) Die Hinzuziehung von Dritten ist entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung nicht bezogen auf das Betreuungsverfahren als Bestandsverfahren zulässig, sondern nur bezüglich der einzelnen Verfahrensgegenstände, die jeweils einer Endentscheidung zugänglich sind. Das lässt bereits die Regelung in § 274 Abs. 3 und 4 FamFG hinreichend deutlich erkennen, indem sie nach der Art des Verfahrensgegenstands differenziert und eine generelle Beteiligung am Betreuungsverfahren als Bestandsverfahren nicht vorsieht. Dementsprechend hat der Senat ausgesprochen, dass nach erstmaliger Betreuungsanordnung etwa in einem späteren Verfahren über die Erweiterung des Aufgabenkreises über die Verfahrensbeteiligung naher Angehöriger neu zu entscheiden ist (Senatsbeschluss vom 25. April 2018 – XII ZB 282/17 – FamRZ 2018, 1251 Rn. 15 mwN), was bei einer fortbestehenden Verfahrensbeteiligung des Angehörigen nicht erforderlich wäre. Ebenso bezieht sich etwa auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers nur auf das jeweilige Einzelverfahren und endet gemäß § 276 Abs. 5 FamFG mit Rechtskraft der Endentscheidung oder dem sonstigen Abschluss des Verfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 2018 – XII ZB 180/18 – FamRZ 2018, 1776 Rn. 6).
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b) Das Landgericht hat eine Hinzuziehung des Beteiligten zu 1 zu Recht schon deswegen abgelehnt, weil das betreffende Verfahren beendet ist.
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aa) Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, auf das sich der Hinzuziehungsantrag des Angehörigen richtet, ist eine Beteiligung gegenstandslos (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller FamFG 12. Aufl. § 7 Rn. 35; Keidel/Sternal FamFG 20. Aufl. § 7 Rn. 33; noch offen gelassen im Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2017 – XII ZB 426/17 – FamRZ 2018, 368 Rn. 9). Die durch die Beteiligung bezweckte Möglichkeit der Einwirkung auf das Verfahren besteht dann – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – nicht mehr, sodass eine Beteiligung des Angehörigen zwecklos wäre. Das durch den Antrag auf Hinzuziehung eingeleitete Zwischenverfahren hat sich demzufolge durch die Beendigung des Hauptverfahrens erledigt. Das von der Rechtsbeschwerde insoweit angeführte Recht auf Akteneinsicht nach § 13 Abs. 1 FamFG ist abhängig von der Verfahrensbeteiligung und kann ein eigenständiges, von der Beendigung des Hauptsacheverfahrens unabhängiges Recht des Angehörigen nicht begründen.
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Die Beendigung des Hauptverfahrens setzt im Fall der Entscheidung durch Beschluss voraus, dass ein zulässiger Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht mehr eingelegt werden kann. Ist dagegen etwa vom Betroffenen eine zulässige Beschwerde eingelegt worden, so kann der Hinzuziehungsantrag nach §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 7 Abs. 3 FamFG auch noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden. Wenn sowohl die Hauptsache als auch das Zwischenverfahren gleichzeitig in der Beschwerdeinstanz anhängig sind, könnte die sofortige Beschwerde, gegebenenfalls nach Verbindung der Beschwerdeverfahren, als ein solcher Antrag im Beschwerdeverfahren umgedeutet werden, zumal eine Hinzuziehung für die erste Instanz nicht mehr in sinnvoller Weise nachholbar ist und dem Anliegen des Angehörigen mit einer (Erst-)Entscheidung des Beschwerdegerichts über seinen Hinzuziehungsantrag ausreichend gedient wäre. Eine eigene Beschwerdeberechtigung in der Hauptsache steht dem nicht beteiligten Angehörigen dagegen nicht zu (Senatsbeschlüsse vom 11. Dezember 2019 – XII ZB 396/19 – FamRZ 2020, 541 Rn. 10 und vom 20. November 2014 – XII ZB 86/14 – FamRZ 2015, 572 Rn. 7 mwN). Dementsprechend kann der Angehörige auch nicht verbunden mit einem erstmaligen Hinzuziehungsantrag in zulässiger Weise Beschwerde einlegen, weil eine nachträgliche Hinzuziehung die Beschwerdeberechtigung in der Hauptsache nicht mehr zu begründen vermag (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 – XII ZB 213/16 – FamRZ 2018, 197 Rn. 12; aA Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller FamFG 12. Aufl. § 7 Rn. 34; Keidel/Sternal FamFG 20. Aufl. § 7 Rn. 34).
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Legt bei unterbliebener Hinzuziehung des Angehörigen in erster Instanz weder der Betroffene noch ein weiterer am Hauptsacheverfahren Beteiligter Beschwerde ein, ist das auf Beteiligung am Verfahren gerichtete Zwischenverfahren nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens erledigt. Ein Antrag des Angehörigen auf Feststellung nach § 62 FamFG, dass das Unterbleiben der Hinzuziehung rechtswidrig gewesen sei, scheitert an dessen fehlender Antragsberechtigung, weil – von der für den Verfahrenspfleger in § 62 Abs. 3 FamFG ausdrücklich geregelten Ausnahme abgesehen – nur der Betroffene im Sinne der Vorschrift in seinen Rechten verletzt sein kann. Ebenso wie im Fall der Erledigung der Hauptsache (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Juli 2016 – XII ZB 623/15 – juris Rn. 4 mwN und vom 24. Oktober 2012 – XII ZB 404/12 – FamRZ 2013, 29 Rn. 6 ff.) ist ein Antrag des Dritten nach § 62 FamFG mithin mangels Antragsberechtigung unzulässig, weil dieser keine eigenen Rechte verfolgt, sondern nur im Interesse des Betroffenen tätig werden kann.
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bb) Die Entscheidung des Landgerichts entspricht diesen Maßstäben. Die Feststellung der Verfahrensbeendigung hinsichtlich des Verfahrens auf Betreuerwechsel ist nicht zu beanstanden und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen. Die Vorinstanzen haben den ungeachtet der Erledigung des Zwischenverfahrens aufrechterhaltenen Antrag auf Beteiligung demnach zu Recht zurückgewiesen.
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Entgegen der vom Beteiligten zu 1 vertretenen Auffassung kommt nach den vorgenannten Maßstäben weder der Ausspruch einer Beteiligung an künftigen weiteren Verfahren noch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtbeteiligung in Betracht.