BGH, Beschluss vom 09.05.2018 – XII ZB 577/17
1. Der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für Vermögensangelegenheiten steht die Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen nicht entgegen.(Rn.18)
2. In Verfahren, die einen umfassenden Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten zum Gegenstand haben, ist für den Betroffenen in der Regel ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Sieht das Gericht hiervon ab, hat es die Gründe dafür in der Entscheidung darzulegen.(Rn.12)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 6. November 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 5.000 €
Gründe
I.
1
Der Betroffene wendet sich gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge.
2
Für den Betroffenen wurde im Dezember 2015 der Beteiligte zu 1 zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Wohnungsangelegenheiten bestimmt. Auf Antrag des Beteiligten zu 1 hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 20. Juni 2017 den Beteiligten zu 2 unter Aufrechterhaltung des Aufgabenkreises zum Betreuer bestellt. Zudem hat das Amtsgericht auf Antrag des Beteiligten zu 1 einen Einwilligungsvorbehalt im Bereich der Vermögenssorge angeordnet. Das Landgericht hat die auf die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts beschränkte Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
3
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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1. Das Landgericht, das die Beschwerde – unzutreffend als „sofortige Beschwerde“ bezeichnet – zurückgewiesen hat, hat die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts wie folgt begründet:
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Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts lägen vor. Ohne dessen Anordnung bestehe die erhebliche Gefahr, dass der Betroffene seine Vermögensinteressen schädige, indem er sich gegen die Annahme seiner Berufsunfähigkeit und damit auch gegen den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente wehre. Insoweit habe er Mitwirkungshandlungen verweigert und den Rentenantrag zurückgenommen. Dies beruhe darauf, dass die Gedankenwelt und die Handlungsweisen des Betroffenen weitgehend durch seine Psychose bestimmt seien und er deshalb nicht von einer krankheitsbedingten Berufsunfähigkeit, sondern von den Auswirkungen einer „nachrichtendienstlichen Verfolgung“ ausgehe.
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Es sei nicht ausreichend, die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts auf das Rentenverfahren zu beschränken. Der Betroffene habe bei seiner Anhörung erklärt, er bemühe sich weiter darum, Deutschland zu verlassen, weil er hier keine beruflichen Chancen mehr habe. Dies lasse befürchten, dass der Betroffene mit dem Ziel eines Umzugs ins Ausland unabhängig von dem Rentenverfahren Verpflichtungen eingehen werde, die zu einer gewichtigen Selbstschädigung führten.
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Der Erforderlichkeit des Einwilligungsvorbehalts stehe es auch nicht entgegen, wenn der Betroffene – wofür das eingeholte Sachverständigengutachten spreche – geschäftsunfähig sei.
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2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Die angefochtene Entscheidung kann schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers verfahrensfehlerhaft unterblieben ist.
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aa) Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Bei einer bereits bestehenden Betreuung gilt dies auch in Verfahren, die lediglich einen Betreuerwechsel oder die nachträgliche Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zum Gegenstand haben (vgl. Keidel/Budde FamFG 19. Aufl. § 276 Rn. 1). Ist in erster Instanz die Bestellung eines Verfahrenspflegers unterblieben, hat das Beschwerdegericht für die Beschwerdeinstanz das Vorliegen der Voraussetzungen des § 276 Abs. 1 FamFG erneut zu prüfen (Senatsbeschluss vom 21. November 2012 – XII ZB 306/12 – FamRZ 2013, 211 Rn. 11).
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Ob es auch dann, wenn keiner der in § 276 Abs. 1 Satz 2 FamFG genannten Regelfälle vorliegt, eines Verfahrenspflegers bedarf, hängt vom Grad der Krankheit oder Behinderung des Betroffenen sowie von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstands ab (Senatsbeschluss vom 13. November 2013 – XII ZB 339/13 – FamRZ 2014, 192 Rn. 10). Das Gericht hat hierzu eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, ohne dass ihm insoweit ein Ermessen eröffnet ist. Je weniger der Betroffene in der Lage ist, seine Interessen selbst wahrzunehmen, je eindeutiger erkennbar ist, dass die geplanten Betreuungsmaßnahmen gegen seinen natürlichen Willen erfolgen und je schwerer und nachhaltiger der beabsichtigte Eingriff in die Rechte des Betroffenen ist, umso dringender erforderlich ist die Bestellung des Verfahrenspflegers (Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2013 – XII ZB 280/11 – FamRZ 2014, 378 Rn. 11 mwN).
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Danach ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der Regel erforderlich, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für das gesamte Vermögen in Betracht kommt. Denn hierbei handelt es sich um einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2017 – XII ZB 608/15 – FamRZ 2017, 754 Rn. 13 mwN). Während die Bestellung eines Betreuers keine unmittelbare Wirkung auf die rechtsgeschäftliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen hat (vgl. Staudinger/Bienwald BGB [2017] § 1903 Rn. 1) und dieser daher bei bestehender Geschäftsfähigkeit auch in dem Aufgabenkreis, für den ein Betreuer bestellt wurde, noch selbständig rechtlich wirksame Willenserklärungen abgeben kann (Jürgens/Jürgens Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1903 BGB Rn. 1), erlangt ein Betreuter durch den Einwilligungsvorbehalt in dessen Geltungsbereich eine vergleichbare Rechtsstellung wie ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger (BGHZ 205, 90 = FamRZ 2015, 1386 Rn. 17 mwN). Willenserklärungen des Betroffenen, die den Aufgabenkreis betreffen, auf den sich der Einwilligungsvorbehalt bezieht, sind daher nur noch mit Einwilligung des Betreuers wirksam (vgl. MünchKommBGB/Schwab 7. Aufl. Vorbemerkung zu §§ 1896 ff. Rn. 13), sofern sie dem Betroffenen nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen (§ 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB). Durch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts wird somit in dessen Geltungsbereich die Möglichkeit des Betroffenen zur eigenverantwortlichen Teilnahme am Rechtsverkehr in stärkerem Maße eingeschränkt als durch die bloße Bestellung eines Betreuers mit einem entsprechenden Aufgabenkreis. Dieser gravierenden Auswirkung des Einwilligungsvorbehalts auf die Freiheitsrechte des Betroffenen ist dadurch Rechnung zu tragen, dass in Verfahren, die einen umfassenden Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten zum Gegenstand haben, für den Betroffenen in der Regel ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist. Sieht das Gericht hiervon ab, hat es die Gründe dafür in der Entscheidung darzulegen.
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bb) Nach den genannten Grundsätzen war im vorliegenden Fall die Bestellung eines Verfahrenspflegers notwendig.
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Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war neben dem vom Amtsgericht vorgenommenen Betreuerwechsel der in der erstinstanzlichen Entscheidung angeordnete umfassende Einwilligungsvorbehalt in Vermögensangelegenheiten. Zudem hat der Sachverständige in seinem Gutachten vom 14. März 2017 ausgeführt, dass der Betroffene in Bezug auf seine vermögensrechtlichen Angelegenheiten krankheitsbedingt einen freien Willen nicht bilden kann. Im Hinblick darauf konnte das Beschwerdegericht von der Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht mit der Begründung absehen, der Betroffene habe durch sein Schreiben vom 20. August 2017, mit dem er die unterbliebene Verfahrenspflegerbestellung durch das Amtsgericht beanstandet hatte, gezeigt, dass er seine Interessen in hinreichender Weise selbst wahrnehmen kann.
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b) Auch in der Sache kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
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aa) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen. Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann ein Einwilligungsvorbehalt allerdings nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf einen einzelnen Vermögensgegenstand oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2016 – XII ZB 458/15 – FamRZ 2017, 474 Rn. 25 und vom 28. September 2016 – XII ZB 275/16 – FamRZ 2016, 2088 Rn. 6 mwN).
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bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.
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(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts allerdings nicht entgegen, dass der Betroffene nach dem vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachten geschäftsunfähig gemäß § 104 Nr. 2 BGB ist.
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Da die Grenzen zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit fließend sind, der Betroffene für die Einwendung der Geschäftsunfähigkeit die Beweislast trägt und dem Betreuer durch den Einwilligungsvorbehalt in Streitfällen mit dem Geschäftsgegner sein Amt wesentlich erleichtert werden kann, kann die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zur Vermeidung von Unsicherheiten auch bei Geschäftsunfähigen geboten sein. Darin liegt auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn soweit der Betroffene ohnehin geschäftsunfähig ist, wird er durch den Einwilligungsvorbehalt nicht über Gebühr in seinen Rechten beeinträchtigt (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2018 – XII ZB 141/17 – FamRZ 2018, 625 Rn. 15; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528 S. 137).
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(2) Die bislang getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für den gesamten Bereich der Vermögenssorge.
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Soweit das Landgericht die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts damit begründet, dass ohne dessen Anordnung die erhebliche Gefahr bestünde, der Betroffene werde seine Vermögensinteressen schädigen, indem er sich gegen die Annahme seiner Berufsunfähigkeit und damit auch gegen den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente wehre, rechtfertigen diese Ausführungen zwar die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, der sich auf den Gegenstand des Rentenverfahrens beschränkt. Hiergegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
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Konkrete Anhaltspunkte dafür, weshalb darüber hinaus die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für sämtliche Angelegenheiten der Vermögenssorge erforderlich ist, ergeben sich aus den bisher getroffenen Feststellungen dagegen nicht. Die Ausführungen des Landgerichts beschränken sich auf die Feststellung, dass aufgrund der von dem Betroffenen im Rahmen seiner Anhörung getätigten Äußerung, er wolle Deutschland verlassen, weil er hier keine beruflichen Chancen mehr habe, zu befürchten sei, der Betroffene werde mit dem Ziel des Umzugs ins Ausland Verpflichtungen eingehen, die zu einer gewichtigen Selbstschädigung führen könnten. Diese Begründung trägt die erheblich in die Freiheitsrechte des Betroffenen eingreifende Anordnung eines umfassenden Einwilligungsvorbehalts jedoch nicht, weil sich aus ihr keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine künftige Vermögensgefährdung erheblicher Art ergeben. Zudem fehlen auch Feststellungen dazu, wie ernst diese Äußerungen des Betroffenen zu nehmen sind. Schließlich enthält der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts, auf den in der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen wird, ebenfalls nur Ausführungen zur Notwendigkeit eines auf die Rentenangelegenheiten des Betroffenen beschränkten Einwilligungsvorbehalts.
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3. Die angegriffene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil die Sache mangels hinreichender Tatsachenfeststellung noch nicht entscheidungsreif ist (vgl. § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Die angegriffene Entscheidung ist daher aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.