Zur Pflicht von Ämtern und Behörden, den Schriftverkehr unmittelbar mit dem gesetzlichen Betreuer des Hilfebedürftigen zu führen

SG Chemnitz, Gerichtsbescheid vom 01. April 2014 – S 3 AS 415/14

Zur Pflicht von Ämtern und Behörden, den Schriftverkehr unmittelbar mit dem gesetzlichen Betreuer des Hilfebedürftigen zu führen

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, künftig sämtlichen Schriftverkehr, der im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen nach den SGB II beim Beklagten unter der BG-Nr. … erfolgt, an den Betreuer F., Nstraße in C. zu versenden.

II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Notwendigkeit der Übersendung sämtlichen Schriftverkehrs des Beklagten an den Kläger im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II unmittelbar an den Betreuer des Klägers.

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Der Kläger steht im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Am 11. Oktober 2012 wurde Herr F. zum Betreuer des Klägers bestellt. Der Aufgabekreis umfasst hierbei: Wohnungsangelegenheiten, Gesundheitssorge, Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden. Willenserklärungen im Bereich der Vermögenssorge bedürfen der Einwilligung des Betreuers.

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Mit Schreiben vom 8. Mai 2013 teilte der Beklagte dem Betreuer des Klägers mit, dass im Betreuerausweis keine Postvollmacht aufgeführt sei und demzufolge ab 1. Mai 2013 die Post direkt zugestellt wird. Infolge dessen übermittelte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 8. Mai 2013 direkt an den Kläger.

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Hiergegen richtet sich das Schreiben des Betreuers des Klägers vom 14. Mai 2013. Er sei vom Amtsgericht dazu bestellt, den Kläger im Rahmen der angegebenen Aufgabenkreise vertreten zu können. Es werde auf den Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden sowie auf § 12 VwVfG bzw. § 11 SGB X i.V.m. § 53 ZPO verwiesen.

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Mit Schreiben vom 19. September 2013 teilte der Beklagte erneut mit, dass keine Postvollmacht vorliegt und die Bescheide daher an den Kläger direkt geschickt werden. Der Betreuer solle sich mit dem Kläger in Verbindung setzen oder sich eine Postvollmacht ausstellen lassen. Ergänzend forderte der Beklagte sodann mit Schreiben vom 4. November 2013 auf, den vollständigen Schriftverkehr mit dem Gericht im vorliegenden Fall einzureichen. Aus dem BGB gehe hervor, dass der Zusatz „Entgegennahme und Öffnen der Post“ vom zuständigen Gericht ausdrücklich angeordnet sein müsse.

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Hiergegen richtet sich die am 31. Januar 2014 erhobene Klage. Ausweislich der Bestellungsurkunde sei Herr F. u.a. für den Aufgabenkreis „Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden“ bestellt. Demzufolge greife § 13 SGB X. Der Beklagte sei grundsätzlich verpflichtet, sich an den gesetzlichen Vertreter des Klägers, mithin an den Betreuer F. zu wenden. Hilfsweise sei auszuführen, dass zumindest der Betreuer als gesetzlicher Vertreter gem. § 13 Abs. 3 S. 3 SGB X über den Schriftverkehr in Kenntnis zu setzen sei.

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Der Kläger beantragt daher:

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I. Der Beklagte wird verurteilt, künftig sämtlichen Schriftverkehr, der im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten unter der BG-Nr.: …. erfolgt, an den Betreuer F., Nstraße in C. zu versenden.

9
II. Hilfsweise wird beantragt, den Betreuer des Klägers über den mit dem Kläger geführten Schriftverkehr gem. § 13 Abs. 3 S. 3 SGB X künftig und unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Bevor eine endgültige Stellungnahme abgegeben werde, bat der Beklagte darum, dass der vollständige Schriftverkehr mit dem Amtsgericht beigebracht wird. Nach Eingang der vollständigen Unterlagen werde sich der Beklagte weiter äußern.

13
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten (00000) beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakte Bezug genommen. Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Entscheidungsgründe
14
Das Sozialgericht konnte durch Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 105 Abs. 1 S. 2 des SGG), die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 S. 1 HS 2 SGG).

15
Die zulässige Klage ist begründet.

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Gemäß § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X hat der Kläger einen subjektiven Anspruch darauf, dass sich der Beklagte im Hinblick auf die Verwaltungsverfahren nach dem SGB II an den Betreuer F. wendet.

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Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB X muss sich die Behörde an den Bevollmächtigten wenden, wenn ein solcher für das Verfahren bestellt ist.

18
Der Kläger wird gerichtlich und außergerichtlich von seinem Betreuer in seinem Aufgabenbereich vertreten (§ 1902 BGB). Zu seinem Aufgabenbereich gehört insbesondere die Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, wie es der Beklagte unter anderem ist.

19
Die Einschränkung, dass die Entgegennahme und das Öffnen der Post nach § 1896 Abs. 4 BGB ausdrücklich angeordnet werden muss, ist nicht einschlägig. Es geht vorliegend nicht darum, dass der Betreuer die Post, welche an den Kläger adressiert ist, entgegennehmen und öffnen möchte. Dies ist ihm nicht gestattet. Es geht vielmehr darum, dass die Korrespondenz unmittelbar mit dem Betreuer zu führen ist, wozu der Beklagte auch verpflichtet ist. Die Post ist unmittelbar an diesen zu adressieren. Der Betreuer hat dieselbe Stellung wie jeder andere Bevollmächtigte auch. Diese Stellung hat der Beklagte zu beachten.

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Korrespondenz ist aus diesem Grunde unmittelbar mit dem Betreuer zu führen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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