Zur gerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit der Anbringung eines Funkortungschip an der Kleidung eines Betreuten

AG Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2019 – 82 XVII 28/19

Die Anbringung eines Sicherheits-Chips (bzw. Funkortungs- oder GPS-Chips) an der Kleidung bzw. im Schuh bei einem Betroffenen ist nur dann als unterbringungsähnliche Maßnahme nach § 1906 BGB durch das Gericht genehmigungsbedürftig, wenn hierdurch zugleich auch verhindert werden soll, dass der Betroffene die Aus- bzw. Eingangstür des Gebäudes bzw. der Einrichtung öffnen kann.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Der Antrag auf Genehmigung der freiheitsentziehenden Maßnahmen für Herrn A… P…, geb. am … wird hiermit zurückgewiesen.

2. Das Verfahren wird hinsichtlich des Antrags auf Genehmigung der freiheitsentziehenden Maßnahmen eingestellt.

Gründe
1
Am 05.03.2019 hat der Bevollmächtigte des Betroffenen – Herr C… P… – beantragt, eine freiheitsentziehende Maßnahme für den Betroffenen zu genehmigen.

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Die Voraussetzungen für die Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen liegen jedoch hier nicht vor. Freiheitsentziehende Maßnahmen im Sinne von § 1906 Abs. 4 BGB umfassen alle diejenigen Freiheitsbeschränkungen, die entweder ergriffen werden, um den Betroffenen in seiner willentlichen Bewegungsfreiheit auf einen eng begrenzten Raum zu beschränken und/oder darüber hinaus alle Maßnahmen, die auf die Freiheit der Willensbetätigung außerhalb des räumlichen Bereichs Einfluss nehmen. Diese Freiheitsentziehenden Maßnahmen wirken in der Regel mechanisch oder medikamentös.

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Mechanisch wirkende freiheitsentziehende Maßnahme im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB liegen z.B. vor, wenn (Jaschinski, in: Herberger/Martinek/Rüßmann /Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1906 BGB, Rn. 159):

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• der Betroffene durch einen Bauchgurt in seinem Bett oder Rollstuhl festgehalten wird,
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• der Betroffene durch ein Bettgitter am Verlassen des Bettes gehindert wird,
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• das Verlassen der Einrichtung nur bei Betätigung eines ungewöhnlich komplizierten Schließmechanismus möglich ist,
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• die Aus-/Eingangstür – zeitweilig – verschlossen bleibt und der Betroffene nicht die Möglichkeit hat, hinauszugelangen.
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Für die Anbringung eines Sicherheits-Chips (bzw. Funkortungs- oder GPS-Chips) an der Kleidung bzw. im Schuh eines (demenzkranken) Betroffenen, der an (psychomotorischer) Unruhe mit Weglauftendenz leidet, bedarf es hingegen in der Regel nicht der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht (OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2006, Az.: 11 Wx 59/05, u.a. in: FamRZ 2006, Seiten 1481 f.; AG Hildesheim, Beschluss vom 21.01.2008, Az.: 76 XVII D 553, u.a. in: BeckRS 2009, Nr. 04656 = „juris“; AG Coesfeld, Beschluss vom 31.08.2007, Az.: 9 XVII 214/06, u.a. in: FamRZ 2008, Seite 304; AG Meißen, Beschluss vom 27.04.2007, Az.: 5 X 25/07, u.a. in: FamRZ 2007, Seite 1911; Klasen/Klasen, BtPrax 2018, Seiten 179 ff. Feuerabend, BtPrax 1999, Seiten 93 ff.).

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Bei einer derartigen Personenortungsanlage, die es lediglich ermöglicht festzustellen, ob der Betroffene infolge seiner krankheitsbedingten Weglauftendenz das Gebäude bzw. das Gelände verlassen will und sich dadurch ggf. in erhebliche Gesundheitsgefahren bringt, handelt es sich nämlich in der Regel – so wie auch hier – nicht um eine freiheitsentziehende oder unterbringungsähnliche Maßnahme (OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.01.2006, Az.: 11 Wx 59/05, u.a. in: FamRZ 2006, Seiten 1481 f.; AG Hildesheim, Beschluss vom 21.01.2008, Az.: 76 XVII D 553, u.a. in: BeckRS 2009, Nr. 04656 = „juris“; AG Coesfeld, Beschluss vom 31.08.2007, Az.: 9 XVII 214/06, u.a. in: FamRZ 2008, Seite 304; AG Meißen, Beschluss vom 27.04.2007, Az.: 5 X 25/07, u.a. in: FamRZ 2007, Seite 1911; Klasen/Klasen, BtPrax 2018, Seiten 179 ff. Feuerabend, BtPrax 1999, Seiten 93 ff.), da das Tragen eines derartigen Chips keinen Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit des Betroffenen darstellt. Bei Lichte betrachtet, ermöglicht der Einsatz dieser Technik sogar ein größeres Maß an Freiheit und schränkt diese somit gerade nicht ein (Klasen/Klasen, BtPrax 2018, Seiten 179 ff.).

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Als unterbringungsähnliche Maßnahme nach § 1906 BGB genehmigungsbedürftig wäre insofern nur die Anbringung eines Sicherheits-Chips (bzw. Funkortungs- oder GPS-Chips) an der Kleidung bzw. im Schuh eines (demenzkranken) Betroffenen, wenn dieser Chip zugleich verhindern würde, dass der Betroffene die Aus-/Eingangstür öffnen und das Gebäude und/oder die Einrichtung verlassen kann (AG Hildesheim, Beschluss vom 22.09.2008, Az.: 42 XVII W 1285, u.a. in: BeckRS 2009, Nr. 27411 = „juris“; AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschluss vom 26.11.1996, Az.: XVII 101/96, u.a. in: FamRZ 1997, Seiten 704 f.; Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1906 BGB, Rn. 72).

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Die Anbringung eines derartigen Sicherheits-Chips (bzw. Funkortungs- oder GPS-Chips), welcher zugleich verhindert, dass der hier Betroffene die Aus- bzw. Eingangstür öffnet, wird jedoch vorliegend gerade nicht von dem Bevollmächtigten des Betroffenen nach § 1906 Abs. 4 und Abs. 5 BGB beantragt, sondern lediglich die Genehmigung eines „Ortungs-GPS-Senders“.

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Aus diesem Grunde ist der Antrag des Bevollmächtigten des Betroffenen auf Genehmigung dieser „Maßnahme“ nunmehr auch durch das Gericht zurückzuweisen.

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