BGH, Beschluss vom 26. Juli 2017 – XII ZB 143/17
Ist die Vorsorgebevollmächtigte als Erbin mit einem zugunsten des Betroffenen ausgesetzten Vermächtnis belastet, können die daraus entstehenden Interessenkonflikte die Einrichtung einer Kontrollbetreuung rechtfertigen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014, XII ZB 142/14, FamRZ 2014, 1693).(Rn.14)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 3. März 2017 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Beschwerdewert: 5.000 €
Gründe
I.
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Der 79jährige Betroffene leidet an einer Demenz, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Er hatte einer seiner Töchter, der Beteiligten zu 1 (im Folgenden: Bevollmächtigte), am 15. Juli 2009 Generalvollmacht erteilt.
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Die Bevollmächtigte ist testamentarische Alleinerbin nach ihrer am 4. September 2015 verstorbenen Mutter, der Ehefrau des Betroffenen. Das Erbe ist mit einem Wohnrechtsvermächtnis zugunsten des Betroffenen an den von ihm bisher genutzten Räumen belastet, auflösend bedingt für den Fall, dass der Betroffene einen Heimpflegevertrag auf unbestimmte Dauer abschließt.
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Am 22. August 2015 hatten der Betroffene und seine Ehefrau ein Schriftstück unterzeichnet, demzufolge die Bevollmächtigte „per Vermächtnis … für die Pflege von mir und meinem Ehemann und für die Hilfe in unserem Haus und Garten“ das gesamte Barvermögen mit einem Wert per 5. August 2015 von über 70.000 € und der Sohn der Bevollmächtigten eine Zuwendung von 3.500 € erhalten sollte.
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Auf Anregung der Geschwister der Bevollmächtigten hat das Amtsgericht eine Kontrollbetreuung eingerichtet und die Beteiligte zu 2 als Berufsbetreuerin bestimmt. Dagegen hat die Bevollmächtigte Beschwerde eingelegt, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Bevollmächtigten.
II.
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Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulassungsfrei statthaft. Die Bevollmächtigte ist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde im eigenen Namen sowohl nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG als auch nach § 303 Abs. 4 FamFG befugt.
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2. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Einer Regelbetreuung für den Betroffenen bedürfe es aufgrund der wirksam erteilten Vorsorgevollmacht nicht. Jedoch ergebe sich aus bestehenden Interessenkonflikten ein Bedürfnis für eine Kontrollbetreuung. So sei die Bevollmächtigte nicht nur Generalbevollmächtigte des Betroffenen, sondern gleichzeitig Alleinerbin nach ihrer verstorbenen Mutter, der Ehefrau des Betroffenen. In ihrer Eigenschaft als Bevollmächtigte des Betroffenen habe sie für ihn bestimmte Wahlmöglichkeiten auszuüben, die ihren eigenen Interessen zuwiderlaufen könnten, namentlich die Ausschlagung des Wohnungsvermächtnisses, um entweder den großen Pflichtteil oder den Zugewinnausgleich mit kleinem Pflichtteil zu verlangen, oder ein Belassen des Vermächtnisses unter Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
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Ein ähnlicher Interessenkonflikt drohe auch hinsichtlich des Barvermögens des Betroffenen und seiner verstorbenen Ehefrau. Dieses sei aufgrund des „Vermächtnisses“ vom 22. August 2015 vollständig auf die Bevollmächtigte übertragen worden. Auch im Hinblick darauf drohe ein Interessenkonflikt bei der möglichen Geltendmachung des Pflichtteils des Betroffenen, insbesondere bei der Frage, ob es sich hier um eine Anstandsschenkung im Sinne von § 2330 BGB handele.
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3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
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a) Nach § 1896 Abs. 3 BGB kann ein Betreuer auch zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.
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Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf der Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses (§ 281 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) festgestellt; dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
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b) Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 – XII ZB 142/14 – FamRZ 2014, 1693 Rn. 11).
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Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 – XII ZB 142/14 – FamRZ 2014, 1693 Rn. 12 mwN).
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c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht die Beschwerde gegen die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Kontrollbetreuerin zu Recht zurückgewiesen. Da der Betroffene für die Behandlung seines Vermächtnisses, seines Pflichtteils und seines Zugewinnausgleichsanspruchs keine Weisungen erteilt hatte, ist die Bevollmächtigte diesbezüglich seinem wohlverstandenen Interesse verpflichtet (vgl. Schwab FamRZ 2014, 888, 890). Sie hat im Interesse des Betroffenen Gestaltungen abzuwägen und Rechte auszuüben, denen sie selbst als Alleinerbin und somit Anspruchsgegnerin wirtschaftlich gegenübersteht. Daraus resultieren Interessenkonflikte, die es rechtfertigen, ihre Vollmachtausübung jedenfalls während der Dauer der erbrechtlichen Abwicklung unter Kontrollbetreuung zu stellen. Die Kontrollbetreuung ist insoweit erforderlich, um Rechenschaft einzufordern (§ 666 BGB) und erforderlichenfalls unter Beachtung der Wünsche des Betroffenen (§ 1901 Abs. 3 BGB) auftragsmäßige Weisungen für ihn zu erteilen (vgl. Palandt/Sprau BGB 76. Aufl. § 665 Rn. 2; Staudinger/Martinek/Omlor BGB [2017] § 665 Rn. 6).
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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).