LG Rottweil, Beschluss vom 26.06.2018 – 1 T 78/18
Zum Zeitpunkt des Verbrauchs einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung durch probeweise Verlegung auf offene Station
Tenor
Es ist die Erledigung des Verfahrens eingetreten.
Der Beschluss des Amtsgerichts Tuttlingen – Betreuungsgericht – vom 03.05.2018, A 18 XVII 624/18, wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
Beschwerdewert: 5.000,00 €
Gründe
I.
1
Das Amtsgericht Tuttlingen – Betreuungsgericht – hat mit Beschluss vom 03.05.2018 auf Antrag der Betreuerin vom 01.03.2018 über die Verlängerung der Genehmigung der geschlossenen Unterbringung entschieden. Es hat die Unterbringung der Betroffenen durch die Betreuung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. einer geschlossenen Abteilung einer Pflegeeinrichtung weiterhin bis längstens 30.09.2018 genehmigt. Auf den Beschluss vom 03.05.2018 wird Bezug genommen (Bl. 31-34 d.A.).
2
Zuvor war durch einen Beschluss des Amtsgerichts Freiburg i. Brsg. vom 05.05.2017 die geschlossene Unterbringung der Betroffenen bis längstens 04.05.2018 genehmigt gewesen. Die damals gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Betroffenen war vom Landgericht Rottweil mit Beschluss vom 01.06.2017,1 T 98/17, zurückgewiesen worden.
3
Das Amtsgericht Tuttlingen hat ein aktuelles Gutachten des Sachverständigen Dr. G., Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Neurologie und Geriatrie, eingeholt. Auf das schriftliche nervenärztliche Gutachten vom 04.04.2018 (Bl. 9-18 d.A.) wird Bezug genommen. Das Amtsgericht Tuttlingen hat die Betroffene persönlich am 03.05.2018 angehört (Anhörungsvermerk vom 03.05.2018, Bl. 29 f. d.A.). Gegen den der Betroffenen am 08.05.2018 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Tuttlingen vom 03.05.2018 hat die Betroffene Beschwerde eingelegt, die am 25.05.2018 beim Amtsgericht Tuttlingen eingegangen ist. Das Amtsgericht Tuttlingen hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 25.05.2018, Bl. 47 f. d.A.).
4
Mit Beschluss des Landgerichts Rottweil vom 04.06.2018 wurde das Beschwerdeverfahren dem Einzelrichter übertragen (Bl. 51 f.d.A.).
5
Die Betroffene wurde in Anwesenheit des Verfahrenspflegers am 06.06.2018 persönlich angehört. Auf das Protokoll vom 06.06.2018 (Bl. 60-62 d.A.) wird Bezug genommen.
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Mit Verfügungen vom 05.06.2018 (Bl. 59 d.A.) und vom 07.06.2018 (Bl. 63 f, d.A.) wurden rechtliche Hinweise erteilt. Auch wurde die Betreuerin um Abgabe einer Stellungnahme gebeten. Eine solche ist innerhalb der gesetzten Frist (25.06.2018, 12.00 Uhr) nicht erfolgt, auch nicht auf die Verfügung vom 25.06.2018 hin, welche der Betreuerin um 09.44 Uhr per Fax zugestellt worden ist. Der Verfahrenspfleger hat sich mit Schriftsatz vom 25.06.2018 geäußert.
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Die Betroffene befindet sich seit 25.05.2018 auf der offenen Station A 1 des Hauses W. in G. Sie hält sich weiter bis zum heutigen Tag dort auf. Die Betroffene hat am Freitag, 22.06.2018 bei Dr. F. eine weitere Depotspritze erhalten.
II.
8
Die Beschwerde der Betroffenen ist gem. §§ 58 ff, 303 ff FamFG zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt.
9
Es ist eine Erledigung des Verfahrens eingetreten, die vom Amtsgericht Tuttlingen mit Beschluss vom 03.05.2018 erteilte Genehmigung zur Unterbringung ist wirkungslos geworden. Klarstellend ist diese Unterbringungsgenehmigung aufzuheben.
10
Die der Betreuerin erteilte Genehmigung zur Unterbringung ist wirkungslos geworden, weil die Betroffene nunmehr seit einem Monat nicht mehr in einer geschlossenen Abteilung untergebracht ist, sondern sich in einer offenen Abteilung, der Station A 1 im Haus W., befindet und aktuell der Plan einer sehr zeitnahen Rückverlegung nicht ersichtlich ist.
11
Die gerichtliche Genehmigung ist jeweils für eine konkrete Freiheitsentziehung erteilt. Mit der Entlassung wird sie gegenstandslos. Soll die Betroffene anschließend wieder in einer geschlossenen Abteilung untergebracht werden, bedarf es einer neuen betreuungsgerichtlichen Genehmigung. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn die Betroffene von einer geschlossenen in eine offene Abteilung derselben Klinik verlegt wird. Grund ist, dass es entscheidend auf die tatsächliche Beendigung der Freiheitsentziehung ankommt und nicht darauf, wo sich die Betroffene im Anschluss hieran aufhält bzw. weiter behandelt wird. Eine Ausnahme gilt nur, wenn es sich um eine probeweise Entlassung der Betroffenen aus der geschlossenen Unterbringung für kurze Zeit handelt. Diese Auffassung entspricht für das Betreuungsrecht dem ganz überwiegenden Meinungsstand (OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.1999, 15 W 233/99, FamRZ 2000, 1120 m.w.N.; Palandt-Götz, BGB 77. Auflage 2018, § 1906 Rn. 22; Jurgeleit-Kieß, Betreuungsrecht, 4. Auflage 2013, § 1906 BGB Rn. 42). Für eine solche Verlegung auf eine offene Station zur Erprobung besteht ein Bedürfnis, um den Übergang zu einer Entlassung nicht zu abrupt zu gestalten und um zu prüfen, ob diese Verlegung überhaupt möglich ist. Ggf. ist dann die sofortige Rückverlegung in die geschlossene Station angezeigt. Jedoch ist dies nur für einen kurzen Zeitraum möglich (KG Beschluss vom 20.12.2005, 1 W 170/03, 182/03 m.w.N.).
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Nach dem Oberlandesgericht Hamm (a.a.O.) ist die Genehmigung jedenfalls bei einer Erprobung auf einer offenen Station von 6 Wochen verbraucht. Die erkennende Kammer hat im Jahr 2014 entschieden, dass bei jedenfalls gut fünf Wochen ein Verbrauch eingetreten ist (LG Rottweil, Beschluss vom 08.08.2014, 1 T 114/14 ).
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Vorliegend ist ein Verbrauch der Genehmigung eingetreten. Die Betroffene befindet sich nunmehr über einen Monat in der offenen Abteilung. Eine ganz zeitnahe Beendigung des Aufenthalts auf der offenen Abteilung ist nicht ersichtlich. Die Betroffene hat ihre monatliche Depotspritze am 22.06.2018 erhalten. Die Betreuerin hat sich auf die Verfügungen des Gerichts hin nicht gemeldet. Insbesondere hat sie nicht mitgeteilt, dass sie zeitnah eine Rückverlegung der Betroffenen in eine geschlossene Abteilung für notwendig erachtet. Gründe hierfür sind auch nicht erkennbar. Die Betroffene hält sich an die auf der offenen Abteilung getroffenen Absprachen und hat auch wie vereinbart am 22.06.2018 den fälligen Arzttermin wahrgenommen, wie sich aus der vom Gericht am 25.06.2018 eingeholten und den Beteiligten mitgeteilten Auskunft der Pflegeleitung des Hauses W. ergeben hat. Bei dieser Sachlage ist ein Verbrauch der Genehmigung eingetreten.
14
Einer weiteren Entscheidung über die Beschwerde der Betroffenen bedarf es nicht (§ 62 FamFG). Allerdings ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Beschwerde bis zum Eintritt der Erledigung unbegründet war, weil das Amtsgericht zutreffend die Genehmigung der Unterbringung erteilt hatte, was auch die Anhörung der Betroffenen am 06.06.2018 bekräftigt hat. Auf die Gründe des Beschlusses des Amtsgerichts vom 03.05.2018 wird Bezug genommen.
III.
15
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht (§ 337 FamFG). Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2, 3 GNotKG.