Zu den Voraussetzungen eines Einwilligungsvorbehalts

BGH, Beschluss vom 01. März 2017 – XII ZB 608/15

Ein Einwilligungsvorbehalt darf nur angeordnet werden, wenn dieser auch erforderlich ist.(Rn.15)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 2. Dezember 2015 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit aufgehoben, als ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe
I.

1
Der Betroffene wendet sich gegen die Einrichtung seiner Betreuung und die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.

2
Nachdem der Betroffene im Zusammenhang mit verschiedenen Verkehrsverstößen und immer wiederkehrender Eingaben aufgefallen war, hat das Betreuungsgericht ein Betreuungsverfahren eingeleitet und im Rahmen dessen zwei Sachverständigengutachten eingeholt.

3
Nach Anhörung des Betroffenen hat das Betreuungsgericht für diesen eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge, der Vermögenssorge und der Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten eingerichtet. Für letzteren Aufgabenkreis hat es zudem einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden.

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Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen, dessen erklärtem Willen er nicht entspricht. Wird der Beschluss danach nicht wirksam zugestellt, beginnt die Beschwerdefrist gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG nicht zu laufen (Senatsbeschluss vom 4. Mai 2011 – XII ZB 632/10FamRZ 2011, 1049 Rn. 7 und 12). Das gilt gleichermaßen für die Bekanntgabe der Entscheidung des Beschwerdegerichts nach § 69 Abs. 3 FamFG (Keidel/Sternal FamFG 19. Aufl. § 69 Rn. 51).

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Der Betroffene hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt und noch in seiner Anhörung vor dem Landgericht bekräftigt, nicht mit der Einrichtung der Betreuung einverstanden zu sein. Weil die Zurückweisung der Beschwerde durch das Landgericht mithin dem erklärten Willen des Betroffenen widersprach, hätte es ihm den Beschluss gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 3 FamFG zustellen müssen.

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Da der Betroffene glaubhaft gemacht hat, dass ihm der Beschluss am 19. Dezember 2015 zugegangen sei, ist der Zustellungsmangel zwar gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG in Verbindung mit § 189 ZPO geheilt worden. Die Entscheidung gilt dann aber erst in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument dem Betroffenen tatsächlich zugegangen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Mai 2011 – XII ZB 632/10FamRZ 2011, 1049 Rn. 11).

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Die Rechtsbeschwerde ist am 8. Januar 2016 beim Bundesgerichtshof eingegangen. Die Monatsfrist des § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist mithin gewahrt.

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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, soweit das Landgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet hat.

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a) Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Betroffene an einer wahnhaften Störung leide. Er benötige eine Betreuung in den ausgewählten Aufgabenkreisen, wobei ein Einwilligungsvorbehalt für den Aufgabenkreis Vermögenssorge wegen der sich wiederholenden Anschaffung von Fahrzeugen, für die er keinen Führerschein besitze, ratsam wäre. Da sein Verhalten auch immer wieder zu behördlichem Einschreiten führe, sei auch der Aufgabenkreis Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten angezeigt. Ob insoweit die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts tatsächlich erforderlich sei, könne dahingestellt bleiben. Schließlich könne der Betroffene auch keinen freien Willen bilden.

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b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

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aa) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 – XII ZB 519/15FamRZ 2016, 627 Rn. 2, 18 ff.). Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2016 – XII ZB 458/15 – juris Rn. 25 und 31).

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bb) Gemessen hieran vermögen die Feststellungen des Landgerichts den angeordneten Einwilligungsvorbehalt in Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten nicht zu rechtfertigen.

15
Während sich der Sachverständige F. zum Einwilligungsvorbehalt erst gar nicht verhält, hat der Gutachter M. einen Einwilligungsvorbehalt für nicht erforderlich erachtet. Selbst das Landgericht lässt die Frage, ob die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts für den Aufgabenkreis der Behördenangelegenheiten tatsächlich erforderlich war, unbeantwortet. Auch wenn der Einwilligungsvorbehalt in dem angeordneten Bereich – wie das Landgericht meint – von geringer praktischer Relevanz wäre und dem Betreuer bei seiner Tätigkeit behilflich sein könnte, ändert das nichts an der erheblichen Eingriffsintensität eines solchen Vorbehalts, der, will er einer Grundrechtsprüfung standhalten, immer auch verhältnismäßig, also insbesondere erforderlich sein muss.

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3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

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