OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. August 2019 – 7 U 238/18
Kein Recht von Angehörigen, aufgrund einer Vorsorgevollmacht Einsicht in Behandlungsunterlagen eines Verstorbenen zu nehmen, gegen dessen ausdrücklich erklärten oder mutmaßlichen Willen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09.11.2018 (6 O 53/18) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das erstinstanzliche Urteil ist ohne Sicherheit vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1
Der Klägerin macht Ansprüche auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen betreffend ihre verstorbene Tochter geltend. Wegen der Feststellungen des Landgerichts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
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Mit Urteil vom 09.11.2018 hat das Landgericht Karlsruhe die Klage abgewiesen (I 175). Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, für einen Anspruch aus § 630g Abs. 1 fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation. Da dem Einsichtsrecht das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde liege, komme es weder auf die Erbenstellung noch den Inhalt der Vorsorgevollmacht an. Vielmehr seien die Rechte der Klägerin gesondert in § 630g Abs. 3 BGB geregelt. Das dort für die Klägerin als Erbin bzw. als nahe Angehörige vorgesehene Recht auf Einsichtnahme gelte jedoch nur unter der Einschränkung des § 630g Abs. 3 Satz 3 BGB, wonach es nicht gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Wollen des Verstorbenen geltend gemacht werden könne. Der Arzt habe seine Entscheidung gewissenhaft zu prüfen und – unter Wahrung der Geheimhaltungspflichten – nachvollziehbar darzulegen, dass sich seine Weigerung auf konkrete oder mutmaßliche Belange des Verstorbenen und nicht auf sachfremde Gesichtspunkte stütze. Sein Beurteilungsspielraum sei von den Gerichten dann aber nur eingeschränkt überprüfbar. Vorliegend habe der verstorbene Arzt Dr. Sch. eine ausdrückliche Erklärung abgegeben. Da neben dessen Schreiben aber kein Beweismittel vorliege, müsse subsidiär auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die ohne eine solche Erklärung gelten würden. Auch insofern enthalte das Schreiben aber ausreichend substantiierte Angaben in der Beschreibung, dass die verstorbene Patientin Inhalte als besonders sensibel und schützenswert gehalten habe – insbesondere betreffend die Beziehung zur Klägerin – und gerade die Klägerin davon keine Kenntnis erhalten solle. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Arzt Dr. Sch. gerade diese Inhalte am Telefon preisgegeben habe. Aus dem klägerseits behaupteten Näheverhältnis und dem Umstand, dass diese einigen Sitzungen selbst beigewohnt habe, ergebe sich nichts Anderes. Insbesondere sei gut vorstellbar, dass es der Verstorbenen gerade wegen des Näheverhältnisses darauf angekommen sei, einen engsten Bereich ihrer Gefühlswelt – dauerhaft – für sich zu behalten. Auch aus der Vorsorgevollmacht würden sich keine Indizien für ein Einverständnis in die Patientenakten ergeben. Dies folge bereits daraus, dass die Vollmacht am 28.09.2009 erteilt worden sei, die Psychotherapie aber erst am 09.09.2016 begonnen worden sei und sich aus der Vollmacht keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie auch für die Preisgabe intimster Details des Seelenlebens gegenüber einem Psychotherapeuten gelten solle. Jedenfalls müsste einem in der konkreten Behandlungssituation geäußerten Willen Vorrang gegenüber einer Jahre zuvor abgegebenen formularmäßigen Blanketterklärung eingeräumt werden. Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Wunsch der verstorbenen Patientin auf Verschwiegenheit mit ihrem Tod habe enden sollen. Insofern könne das Vertrauen, innerste Gedanken und Vorgänge zu schützen, überhaupt erst Grundlage dafür sein, dass sie mit dem Therapeuten erörtert worden seien. Für weitere Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil verwiesen.
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Gegen diese ihr am 19.11.2018 zugestellte (I 197) Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 18.12.2018, eingegangen beim Oberlandesgericht am gleichen Tag (II 1), die sie innerhalb verlängerter Frist (II 23) mit am 19.02.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet hat (II 29). Sie meint insbesondere, aus der Vorsorgevollmacht ergebe sich der Wille ihrer Tochter, dass sie nach ihrem Tod volle Akteneinsicht in Patientenunterlagen erhalte. Dieser ausdrückliche Wille habe Vorrang gegenüber dem möglicherweise erklärten, von ihr auch bestrittenen Wunsch. Die notarielle Vorsorgevollmacht sei klar und deutlich formuliert und zu keinem Zeitpunkt widerrufen worden. Wenn jederzeit durch mündliche Erklärung von einer notariellen gegenseitigen Vollmacht abgewichen werden könnte, wären einem etwaigen Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Die Behandler könnten ohne Nachprüfungsmöglichkeit abweichende Behauptungen aufstellen. Ohne Eintrag in die Patientenakte oder eine schriftliche Erklärung würden die Angehörigenrechte ausgehebelt werden. Damit wären sowohl der Patient als auch seine Angehörigen in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. In diesem Zusammenhang sei insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Widerruf der Vollmacht ihr gegenüber hätte erfolgen müssen und jedenfalls der Schriftform, wenn nicht sogar der notariellen Form hätte entsprechen müssen. Abgesehen davon, dass die vom Therapeuten behauptete Erklärung bereits bestritten werde, entspreche es dem mutmaßlichen Willen, dass sich das Geheimhaltungsinteresse mit dem Ableben erledigt habe. Auf das besondere Näheverhältnis zu ihr als Mutter sei nicht eingegangen worden und ihrer angebotenen Parteivernehmung sei das Landgericht zu Unrecht nicht nachgekommen. Es gebe keinen Anhaltspunkt, dass sie ihrer Mutter auch noch nach ihrem Tod das Akteneinsichtsrecht habe vorenthalten wollen. Zudem habe das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass sie den Arzt vermittelt und die Tochter bei den Sitzungen begleitet habe sowie auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Tochter ein reger Austausch mit dem Arzt bestanden habe. Auch nach der letzten Sitzung habe er bei ihr angerufen. Zudem könne es als Behandlungsfehler gewertet werden, dass der Arzt ihre Tochter nicht in die Psychiatrie eingewiesen habe, obwohl sie nichts gesagt haben solle. Jedenfalls unter diesem Aspekt sei eine mutmaßliche Einwilligung anzunehmen. Weiter würden vermögensrechtliche Aspekte eine Rolle spielen, da es sich ihr nicht erkläre, dass ihre Tochter dem Vermächtnisnehmer N drei Eigentumswohnungen zugewandt habe. Dieser mache entsprechende Ansprüche bereits geltend. Ihre Tochter habe vor dem Tod unter großem Druck gestanden und Angst gehabt, was sie möglicherweise dem Arzt offenbart habe. Jedenfalls sei im Zweifel von einer mutmaßlichen Einwilligung auszugehen und die unsubstantiierten Behauptungen des Arztes seien als bloße Schutzbehauptungen zurückzuweisen. Möglicherweise sollten Behandlungsfehler vertuscht werden.
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Die Klägerin beantragt (II 33):
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Das Endurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09.11.2018, Az. 6 O 53/18, wird abgeändert.
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Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Akteneinsicht in die Patientenakte der Frau …, geboren am …1967, verstorben am …2017, zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt (II 61),
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung (II 61). Wegen der behaupteten Behandlungsfehler rügt er Verspätung und bestreitet den Sachvortrag im Einzelnen (II 73).
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
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Die nach §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist unbegründet. Nach § 630g Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 BGB kann im Falle des Todes des Patienten der Erbe Einsicht in die Behandlungsakten zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen und die nächsten Angehörigen hinsichtlich immaterieller Interessen nehmen. Nach § 630g Abs. 3 Satz 3 BGB sind die Rechte allerdings ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht (so auch die von der Klägerin zitierte Entscheidung des VG Freiburg vom 29.10.2015 – 6 K 2245/14, juris Rn. 25). Letzteres ist vorliegend – anders als im soeben zitierten Fall des Verwaltungsgerichts – anzunehmen. Die Beklagte macht geltend, die verstorbene Tochter der Klägerin habe besonderen Wert darauf gelegt, dass Gesprächsnotizen der Sitzungen, deren Gegenstand die Beziehung der Patientin zu ihrer Familie und namentlich zur Mutter waren, absolut vertraulich behandelt würden. Sie habe stets zu erkennen gegeben, dass diese Inhalte keineswegs der Mutter jemals zur Kenntnis gelangen dürften. Eine solche Erklärung steht dem Begehren der Klägerin, Einsicht in die gesamte Behandlungsakte zu nehmen, um gerade diese Fragen für sich zu klären, entgegen. Wegen anderer Inhalte der Behandlungsakte hat der Arzt Dr. Sch. die Einsicht auch nicht verweigert.
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1. Die von der Klägerin bestrittene Erklärung ist der Prüfung des Einsichtsbegehrens zugrunde zu legen. Zwar ist eine Beweisführung durch Zeugen nicht mehr möglich, da sowohl der Arzt als auch die Patientin verstorben sind. Es ist in der Rechtsprechung aber anerkannt, dass dem Arzt bei der Prüfung des Patientenwillens ein Ermessen zusteht, das nur begrenzt gerichtlich überprüfbar ist. Demnach ist der in Anspruch genommene Arzt gewissermaßen selbst die letzte Instanz. Die damit verbundene Missbrauchsgefahr muss wegen des hohen Stellenwertes, der dem Vertrauensschutz zukommt, grundsätzlich hingenommen werden. Allerdings muss der Arzt darlegen, dass und unter welchem allgemeinen Gesichtspunkt er sich durch die Schweigepflicht an der Offenlegung der Unterlagen gehindert sieht (vgl. BGH vom 26.02.2013 – VI ZR 359/11, juris Rn. 12; BGH vom 31.05.1983 – VI ZR 259/81, juris Rn. 20 ff.; OLG München vom 09.10.2008 – 1 U 2500/08, juris Rn. 45 ff.). Diesen Anforderungen hat der Arzt Dr. Sch. in seinem Schreiben vom 09.08.2017 (Anl. K4) genügt. So hat er differenziert dargelegt, dass die Tochter klar zu erkennen gegeben haben, Informationen nicht weiter zu geben, die das Verhältnis zu ihrer Familie, insbesondere zu ihrer Mutter betreffen.
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2. Die Ermessensentscheidung ist nicht erkennbar fehlerhaft und deshalb unbeachtlich.
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a) Hinweise auf ein missbräuchliches Verhalten sind nicht erkennbar. Soweit möglicherweise eigene Belange des Arztes betroffen sind, weil ihm ein Fehlverhalten vorgeworfen werden könnte, hat er entscheidende Informationen bereits preisgegeben. So legte er in seinem Schreiben vom 09.08.2017 unumwunden offen, dass die Tochter bei der letzten Sitzung nicht gesprochen habe, er eine Einweisung durchaus für erwägenswert hielt und dies aber nicht veranlasst habe, weil die Tochter gegangen sei. Angesichts dieser Schilderung besteht kein Anhalt für die Annahme, der Arzt habe durch die Verweigerung der Einsicht eigenes Fehlverhalten vertuschen wollen. Im Übrigen ist die dargelegte Erklärung der Tochter auch nicht von vornherein als fernliegend anzusehen. Gerade bei engen familiären Verhältnissen ist es vielmehr nachvollziehbar, dass ein Patient, der diese Verhältnisse zum Gegenstand der Behandlung macht und damit einen Zusammenhang mit den behandlungsbedürftigen Beschwerden herstellt, nicht möchte, dass die betroffenen Angehörigen von dem Inhalt erfahren, zum Beispiel, weil die Schilderungen mit der vom Patienten erwarteten Haltung nicht in Einklang zu bringen sind. Insofern ist die Klägerin auch nicht als Partei zu vernehmen. Bei der Frage nach dem Willen der Tochter geht es gerade um Umstände, die die Klägerin nicht erfahren sollte und die damit ihrer Wahrnehmung nicht zugänglich sind. Nichts anders ergibt sich aus den Telefonaten zwischen dem Arzt und der Klägerin. Insofern ist nicht erkennbar, dass dabei konkrete Gesprächsinhalte betreffend das Verhältnis zu Dritten mitgeteilt wurden. Auch der Hinweis der Klägerin, bei Sitzungen anwesend gewesen zu sein, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Denn entscheidend sind gerade die Gespräche, bei denen die Verstorbene alleine bei ihrem Therapeuten war. Schließlich spricht der Zeitraum zwischen dem ersten Einsichtsersuchen vom 31.05.2017 und dem Antwortschreiben vom 09.08.2017 nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Arztes, dem in einem so komplexen Fall wie dem Vorliegenden eine gewisse Bearbeitungs- und Überlegungsfrist zuzugestehen ist,
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b) Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Arztes, der Wille auf Einhaltung der Verschwiegenheitsverpflichtung gelte wegen der konkret genannten Umstände auch einschränkungslos über den Tod hinaus. Insofern ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Interesse an der Geheimhaltung durch das Ableben entfallen ist. Dies ist vorliegend aber nicht anzunehmen. Nach den Ausführungen im Schreiben vom 09.08.2017 kam es der Tochter darauf an, dass die Klägerin nicht erfährt, was sie über die Familie geäußert hat. Vordergründung kann dies Interessen zu Lebzeiten betreffen in der Weise, dass das innerfamiliäre Verhältnis nicht für die Tochter merklich beeinträchtigt wird. Gerade bei Schilderungen in einer Therapiesitzung ist es aber genauso naheliegend, dass ein Patient solche intimen Details nur preisgibt in der Erwartung, dass Dritte davon nicht erfahren. Gerade wenn die Befürchtung besteht, die Familie könnte die Angaben kritisieren oder möglicherweise könnte ein geliebter Mensch wie die Klägerin selber darunter erheblich leiden, kann auch nach dem Tod ein besonderes Geheimhaltungsinteresse bestehen. Daran ändert das Vorbringen der Klägerin nichts, möglicherweise könnten Ansprüche wegen eines Behandlungsfehlers geltend gemacht werden und das Vermächtnis sei möglicherweise unwirksam, weil die Tochter unter Druck gestanden und Ängste erlitten habe. Insofern ist kein Raum für die Annahme, zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Arzt oder der Unwirksamkeit des Testaments hätte sie der Einsicht mutmaßlich zugestimmt. Denn es liegt nach den Darlegungen des Arztes eine uneingeschränkte und vor allem auch ausdrückliche Verweigerung vor.
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3. Die so anzunehmende Verweigerung der Entbindung von der Verschwiegenheitsverpflichtung ist nicht durch die Erklärungen sowohl in der Vorsorgevollmacht als auch in der Patientenverfügung über die Schweigepflichtentbindung und das Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen überlagert.
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a) In der Vorsorgevollmacht hat die Tochter der Klägerin unter Ziff. 3 das Recht eingeräumt, Krankenunterlagen einzusehen; gleichzeitig hat sie unter anderem die zukünftig behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbunden. Nach der Regelung unter Ziff. 5 soll die Vollmacht auch über den Tod hinauswirken. Zusätzlich ist in den Schlussbestimmungen aufgenommen, dass Entscheidungen aus dem Bereich der Gesundheit im Sinne des in der Patientenverfügung Festgehaltenen auszuüben sind. Dort ist unter Ziff. 8 ebenfalls eine Schweigepflichtentbindung und ein Einsichtsrecht in Krankenunterlagen geregelt. Dieses Recht wiederum, auf das in der Vollmacht verwiesen wird, steht nach § 1901a Abs.1 Satz 1 und Abs. 5 BGB unter dem Vorbehalt, dass die Regelungen noch mit der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation zu vereinbaren sind. Allein hieraus folgt bereits, dass der nach Erstellung der Vollmacht und der Patientenverfügung erklärte Wille, keine Gesprächsinterhalte betreffend familiäre Beziehungen bekannt zu geben, nicht von der Vollmacht umfasst ist. Dies gilt vor allem angesichts der Tatsache, dass die Dokumente 2009 erstellt wurden und die psychotherapeutische Behandlung erst 2016 begonnen wurde.
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b) Zudem ist die Vollmacht vorliegend dahingehend einschränkend auszulegen, dass sie keine Inhalte betreffen soll, deren Offenbarung eine Behandlung verhindern würden. Die Klägerin und ihrer Tochter sind bei der Abfassung der Vollmacht erkennbar davon ausgegangen, gegenseitig für das Wohl des jeweils anderen zu sorgen und eine möglichst dem erklärten Willen entsprechende Behandlung bzw. einen Behandlungsabbruch zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang sind das Einsichtsrecht und die Schweigepflichtentbindung zu sehen. Wenn die Klägerin ihren Arzt, wie aus dem zitierten Schreiben ersichtlich, ausdrücklich darum gebeten hat, Gesprächsinhalte betreffend die familiären Beziehungen nicht zu offenbaren, spricht dies dafür, dass sie die Therapie nicht in der gebotenen Weise wahrgenommen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass dem Willen nicht entsprochen wird. Dies hätte aber der Intention der Vollmacht widersprochen, gegenseitig dafür zu sorgen, dass es dem anderen möglichst gut geht. Abgesehen davon ergibt sich vor allem aus der in Bezug genommenen Patientenverfügung, dass die Klägerin und ihre Tochter bei den Erklärungen an schwere körperliche Beeinträchtigungen in der letzten Lebensphase gedacht haben. Hinweise darauf, dass sie 2009 bereits psychotherapeutische Sitzungen zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht haben, bei der intime Details bekannt gegeben werden, ergibt sich weder aus den Urkunden noch aus den sonstigen dargelegten Umständen.
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c) Weiter kann aufgrund der Vollmacht nur das verlangt werden, was im Rahmen des Behandlungsvertrages zulässig ist. Insofern hat die Tochter im Verhältnis zu ihrem behandelnden Arzt aber einer Bekanntgabe der Gesprächsinhalte betreffend die familiären Beziehungen wie ausgeführt widersprochen.
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d) Schließlich führt eine Vollmacht nicht zu einer Verdoppelung der Entscheidungsträger. Vielmehr geht der eigene Wille eines wie vorliegend Geschäftsfähigen bei widersprechenden Erklärungen vor (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Auflage 2019, § 167 Rn. 15; Staudinger/Bienwald, BGB, Stand 20.01.2019, § 1904 Rn. 45; Klasen/Klasen, jM 2017, 2, 6; Zimmermann, Vorsorgevollmacht-Betreuungsverfügung-Patientenverfügung, 3. Auflage 2017, 2. Kapitel Rn. 80).
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e) Nichts anderes ergibt sich aus der von der Klägerin im Senatstermin angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2018 (III ZR 183/17) zum digitalen Nachlass. Dort war die Frage zu entscheiden, ob die Rechte aus einem Nutzungsvertrag für ein soziales Netzwerk in den Nachlass fallen. Dies wurde bejaht und dabei ausdrücklich ausgeführt, dass die Pflichten nicht persönlichkeitsrelevant seien, da lediglich technische Leistungen geschuldet würden, die – anders als bei einem Behandlungsvertrag mit einem Arzt – unverändert gegenüber den Erben erbracht werden könnten (BGH, a.a.O., juris Rn. 35). Im Übrigen hielt der Bundesgerichtshof einen entgegenstehenden Willen des Erblassers durchaus für bedeutsam (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 24)
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f) Schließlich geht der Hinweis der Klägerin auf ihr Persönlichkeitsrecht fehl. Grundsätzlich ist der Arzt zur Verschwiegenheit verpflichtet. Allein der Patient hat die Möglichkeit zu entscheiden, den Arzt von seiner grundsätzlich bestehenden Schweigepflicht zu entbinden. Einen Grund muss er dabei nicht benennen, so dass seine Entscheidung auch zu respektieren ist, wenn sie aus der Sicht eines Dritten wie der Klägerin willkürlich erscheint. Danach hat das möglicherweise ebenfalls schützenswert erscheinende Begehren eines nahen Angehörigen auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen ggf. hinter der Entscheidung des Patienten zurückzustehen.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.