AG Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2007 – 27 C 11629/06
Zur Reichweite der Aufsichtspflicht eines Betreuers
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Beklagte leistet vor der Vollstreckung selbst Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
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Der Kläger nimmt den Beklagten als Betreuer seines Bruders wegen Aufsichtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch.
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Der Kläger ist der Bruder des Herrn X, geboren am X. Der Bruder des Klägers ist seit etwa 1985 manisch depressiv und leidet unter einer manisch verlaufenden schizoaffektiven Psychose. Er ist im Sinne des § 827 BGB schuldunfähig.
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Der Beklagte wurde vom Amtsgericht X im Betreuungsverfahren, Geschäftsnummer X, ab dem 24.11.2003 zum Betreuer des Bruders des Klägers bestellt. Die Betreuung endete mit der Abberufung des Beklagten am 24.11.2005. Die Bestellung erfasste die Aufgabenkreise „Sorge für die Gesundheit“, „Bestimmung des Aufenthalts“, „Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt“, „Wohnungsangelegenheit“, „Vertretung vor Behörden“ und „Postkontrolle“. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Betreuung die drei letztgenannten Aufgabenkreise von Anfang an erfasste oder ob die Betreuung um diese Aufgabenkreise erst mit deren Verlängerung am 26.10.2005 erweitert wurde.
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Nach Beendigung einer stationären psychischen Krankenbehandlung des Bruders des Klägers in den X-Kliniken Ende Dezember 2004 vereinbarten die Parteien, den Bruder des Klägers im Einfamilienhaus X.weg X in X häuslich unterzubringen. Eigentümerin dieses Einfamilienhauses war die Tochter des Klägers. Dem Kläger und dem Bruder des Klägers stand an dem Hausgrundstück X.weg X in X ein Nießbrauchsrecht zu. Im Gegenzug für die Überlassung des Einfamilienhauses hatte der Bruder des Klägers für den hälftigen Nießbrauchsanteil des Klägers ein Nutzungsentgelt zu zahlen.
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Einen Teil der Einrichtungsgegenstände, mit denen das Haus eingerichtet wurde, überließ der Kläger seinem Bruder.
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Zur Versorgung des Bruders des Klägers mit der notwendigen häuslichen Krankenpflege schaltete der Beklagte den psychiatrischen Fachpflegedienst X, Häusliche Krankenpflege, Inhaberin X, ein. Diese versorgte den Bruder des Klägers dreimal wöchentlich.
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Die X konnte dem Beklagten nur für den Monat Januar 2005 eine stabile gesundheitliche Situation des Bruders des Klägers berichten. Bereits Mitte Mai 2005 musste die X ein zunehmend aggressives Verhalten und wahnhaftes Erleben des Bruders des Klägers dem Beklagten berichten. Über die sich verschlechternde gesundheitliche Situation berichtete die Inhaberin der X, Frau X dem Beklagten regelmäßig. Mit Schreiben vom 30.6.2005 kündigte der Bruder des Klägers die häusliche Krankenpflege. Noch am Tag des Zugangs der Kündigung, am 4.7.2005 informierte Frau X den Beklagten per Telefax. Am 21.7.2005 berichtete Frau X dem Beklagten, dass der Bruder des Klägers nur noch selten angetroffen wird, sie oder ihre Mitarbeiter nicht mehr in die Wohnung lasse, manisch depressiv und unterschwellig aggressiv wirke und wenig absprachefähig sei. Am 4.8.2005 teilte die X in dem Beklagten den anhaltend schlechten Gesundheitszustand des Bruders des Klägers erneut mit und, dass er begonnen habe im Haus eine Umräumaktion zu starten. Der Beklagte nahm dies und die Kündigung des Hauses durch den Kläger zum Anlass, den Bruder des Klägers mit Schreiben vom 5.8.2005 zu bitten, seine Ärztin aufzusuchen. Am 12.8.2005 stellte die X fest, dass der Bruder des Klägers manisch ist und die ganze Woche nicht angetroffen wurde. Weiterhin stellte sie fest, dass er ein Kraftfahrzeug mit Xer Kennzeichen im Straßeverkehr führte, obwohl er nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Hiervon informierte die X den Beklagten durch Nachricht auf den Anrufbeantworter. Am 16.8.2005 wurde der Bruder des Klägers auf Intervention eines Nachbarn in das X.Krankenhaus eingewiesen. Einen Antrag zur Unterbringung des Bruders des Klägers im X.Krankenhaus stellte der Beklagte unter dem 21.8.2005 beim Vormundschaftsgericht.
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Der Kläger trägt vor, sein Bruder habe in der Zeit vom 4. bis zum 16.8.2005 im Zuge der von ihm vorgenommenen Umräumungsaktion von ihm überlassenen Möbel, nämlich ein Bett, eine Anrichte, eine Eichenschrankwand und einen Tisch beschädigt. Die Reparatur erfordere Kosten gemäß dem Angebot der Firma X vom 21.7.2006 in Höhe von 1.990,00 € netto. Er beabsichtige, die beschädigten Möbel instandsetzen zu lassen. Dann falle auch noch als Zukunftsschaden die Mehrwertsteuer an.
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Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe diejenigen Angelegenheiten, zu denen er gerichtlich durch Beschluss des Vormundschaftsgerichts bestellt war, nicht ordnungsgemäß und sorgfältig ausgeführt. Bei sachgerechter Handhabung der Betreuung wären die erforderlichen Maßnahmen spätestens Ende Juli 2005 umgesetzt gewesen. Es wäre dann nicht zu den Beschädigungen der Einrichtungsgegenstände des Klägers gekommen. Der Beklagte schuldet ihm deshalb wegen Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 832 BGB Schadensersatz.
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Der Kläger beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1990 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, gegenüber dem Kläger weitere Schäden zu ersetzen, die durch die Beschädigung eines Eiche-Schrankelements, einer Anrichte, eines Tisches und eines Schlafbettes im Wohnhaus X.weg X in X entstehen werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte macht geltend, ihm habe gegenüber dem Bruder des Klägers keine Aufsichtspflicht oblegen. Eine Aufsichtspflicht sei vom Vormundschaftsgericht nicht angeordnet worden. Der Beklagte verweist insoweit auf das Urteil des Landgerichts Bielefeld 20 S 48/98 (abgedruckt in NJW 1998, 2682/2683 Anm. des Gerichts).
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Zudem hätte der Kläger aus früherem Wohnverhalten seines Bruders wissen müssen oder zumindest wissen können, dass sein Bruder zu derartigen Handlungen krankheitsbedingt fähig sei. Die Unterbringung im Reihenhaus X.weg X. sei von vorneherein ein Experiment gewesen.
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Weiter trägt der Beklagte vor, dass er aufgrund einer Krebserkrankung und anschließender Chemotherapie nur noch mit halber Kraft habe tätig sein können. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Für Notfälle sei stets seine Kollegin und Vertreterin im Amt Frau X erreichbar gewesen.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf ihre bei den Akten befindlichen Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 832 BGB wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.
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Der Bruder des Klägers war zum Zeitpunkt der dem Beklagten vorgeworfenen Verletzung der Aufsichtspflicht volljährig. Er bedurfte zwar in der spätestens ab Mitte Mai 2005 eintretenden Krankheitsphase der Beaufsichtigung. Zur Aufsichtspflichtverletzung ist es aber erforderlich, dass der Person, der die Aufsichtspflichtverletzung vorgeworfen wird, „kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht …… verpflichtet ist“. Zu Recht weist der Beklagte daraufhin, dass dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Ein erwachsener Mensch unterliegt einer gesetzlichen Aufsichtspflicht nur dann, wenn einem Betreuer entweder die gesamte Personensorge oder speziell die Beaufsichtigung des Betreuten durch Gerichtsbeschluss übertragen worden ist (vgl. MünchKommBGB/Wagner, 4. Auflage, § 832 Rn. 57 unter Hinweis auf LG Bielefeld NJW 1998, 2682/2683). Allein die Stellung als Betreuer im Sinne der §§ 1896 ff. BGB ergibt nicht, dass dem Beklagten die Aufsichtspflicht über den Bruder des Klägers oblag. Die Aufsichtspflicht war ihm vom Vormundschaftsgericht nicht speziell übertragen. Eine solche Aufsichtspflicht wäre auch rein tatsächlich im konkreten Fall nicht durchführbar. Auch die Kombination der Aufgabenkreise führt nicht zu einer Aufsichtspflicht des Beklagten (vgl. auch hierzu LG Bielefeld NJW 1998, 2682/2683).
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Die weiteren Fälle einer Haftung des Betreuers, nämlich ein eigenes wirtschaftliches Interesse bei rechtsgeschäftlichen Handeln oder die Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens lagen bei der Unterbringung des Bruders des Klägers im Haus der Tochter des Klägers und bei dessen teilweiser Ausstattung mit den Möbeln des Klägers nicht vor. Von daher scheidet eine Haftung des Beklagten für den vom Bruder des Klägers angerichteten Schaden wegen eigenen wirtschaftlichen Interesses oder Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens ebenfalls aus.
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Unerheblich ist, ob der Beklagte Betreuerpflichten gegenüber dem Bruder des Klägers verletzt hat. Eine Haftung des Betreuers gegenüber dem Kläger könnte eine solche Verletzung nicht begründen. Denn § 1833 BGB, der die Haftung des Betreuers bei Pflichtverletzung gegenüber dem Betreuten regelt, hat keine drittschützende Funktion (vgl. Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Auflage, § 1833 BGB Rn 19).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11 ZPO; die Entscheidung zum Vollstreckungsschutz aus § 711 ZPO.
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Streitwert: 2.245,00 € (Beschluss vom 31.8.2006)