BGH, Beschluss vom 08. April 2020 – XII ZB 558/19
1. Die Bestimmung der Person des Betreuers richtet sich im Verfahren auf Betreuerbestellung nicht nach § 1908b BGB. Vielmehr ist allein § 1897 BGB maßgeblich, der den Maßstab für die Betreuerauswahl im gesamten Instanzenzug festlegt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 475/19 – juris).(Rn.10)
2. Zum Absehen von der persönlichen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren, wenn das Amtsgericht den Betroffenen im vorhergehenden Verfahren der einstweiligen Anordnung durch den ersuchten Richter, nicht aber im Hauptsacheverfahren persönlich angehört hat.(Rn.7)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 22. November 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
Gründe
I.
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Für den im Jahre 1960 geborenen Betroffenen war seit dem 29. Januar 2019 der Beteiligte zu 1, ein Rechtsanwalt, als vorläufiger Betreuer mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten bestellt. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht im Hauptsacheverfahren mit Beschluss vom 6. März 2019 eine Betreuung mit gleichem Aufgabenkreis und dem Beteiligten zu 1 als Betreuer eingerichtet. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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Nach dem ärztlichen Gutachten vom 1. Februar 2019 leide der Betroffene unter einer paranoiden Schizophrenie, die eine rechtliche Betreuung auch gegen seinen Willen erforderlich mache. Im Beschwerdeverfahren sei von einer richterlichen Anhörung abzusehen, da nicht davon auszugehen sei, dass diese zu neuen Erkenntnissen führen würde. Der vom Betroffenen angeregte Betreuerwechsel sei nicht gemäß § 1908 b Abs. 3 BGB veranlasst. Die Auswechslung des nunmehr eingearbeiteten und mit den persönlichen sowie finanziellen Verhältnissen des Betroffenen vertrauten Betreuers sei nicht angebracht und würde dem objektiven Wohl des Betroffenen zuwiderlaufen, zumal – wie sich aus einer Stellungnahme der Betreuungsbehörde ergebe – der Betroffene und der vorgeschlagene Betreuer sich nicht kennen würden und eine Kontaktaufnahme im Vorfeld nicht stattgefunden habe. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der bestellte Betreuer nicht geeignet sei. Seine Entlassung sei geboten, wenn ein Verbleib im Amt dem Wohl des Betreuten mehr als unerheblich schade. Das sei nicht ersichtlich.
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2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht stand.
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a) Die Rechtsbeschwerde rügt im Ergebnis zu Recht, dass das Landgericht von der persönlichen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren abgesehen hat. Zwar eröffnet § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren diese Möglichkeit. Ein solches Vorgehen setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (st. Senatsrspr., vgl. etwa Senatsbeschluss vom 27. Februar 2019 – XII ZB 444/18 – MDR 2019, 626 Rn. 8 mwN). Das ist hier nicht der Fall.
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aa) Das Amtsgericht hat den Betroffenen nur in dem auf Bestellung eines vorläufigen Betreuers gerichteten Verfahren der einstweiligen Anordnung durch den ersuchten Richter angehört und sich in dem nachfolgenden Hauptsacheverfahren auf die Vorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 2 FamFG berufen. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Annahme, nach diesen verfahrensrechtlichen Vorgaben sei die in Betreuungssachen nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwingend erforderliche persönliche Anhörung des Betroffenen im Hauptsacheverfahren entbehrlich, dürfte allerdings regelmäßig schon daran scheitern, dass mit Blick auf die gegenüber dem Eilverfahren andere Tatsachengrundlage (vgl. etwa § 280 FamFG einerseits und § 300 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FamFG andererseits) zumeist davon auszugehen sein wird, dass die erneute Vornahme der persönlichen Anhörung zusätzliche Erkenntnisse erwarten lässt. Ob der Anwendungsbereich des § 51 Abs. 3 Satz 2 FamFG für die persönliche Anhörung des Betroffenen in Betreuungssachen überhaupt eröffnet ist, kann hier jedoch dahinstehen.
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bb) Denn selbst wenn man dies im Grundsatz bejaht und die im Verfahren der einstweiligen Anordnung durchgeführte Anhörung als persönliche Anhörung nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG wertet, ist sie verfahrensfehlerhaft erfolgt, so dass das Beschwerdegericht sie hätte wiederholen müssen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 24. Juli 2019 – XII ZB 160/19 – FamRZ 2019, 1735 Rn. 11 mwN).
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Das Amtsgericht hat die Anhörung nämlich nicht selbst vorgenommen, sondern – im Verfahren der einstweiligen Anordnung gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 FamFG zulässigerweise – durch den ersuchten Richter durchführen lassen. Für das Hauptsacheverfahren gilt aber uneingeschränkt § 278 Abs. 3 FamFG, der die Durchführung der persönlichen Anhörung nur dann im Wege der Rechtshilfe gestattet, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen getroffen werden kann. Dies bleibt aber auf Ausnahmefälle beschränkt, weshalb das Betreuungsgericht für die abweichend von § 278 Abs. 3 FamFG erfolgende Anordnung einer Anhörung im Wege der Rechtshilfe besonderer Gründe bedarf, aus denen sich ergibt, dass eine persönliche Anhörung nicht erforderlich ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. März 2018 – XII ZB 503/17 – FamRZ 2018, 849 Rn. 10 und vom 29. Juni 2016 – XII ZB 48/16 – FamRZ 2016, 1667 Rn. 7 mwN). Solche Gründe teilt das Amtsgericht nicht mit; im vorliegenden Fall wären sie ohnehin fernliegend.
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b) Von Rechtsfehlern beeinflusst sind auch die Erwägungen des Landgerichts zur Betreuerauswahl. Die Bestimmung der Person des Betreuers richtet sich im Verfahren auf Betreuerbestellung – ebenso wie bei den Entscheidungen über die Erweiterung und die Verlängerung der Betreuung – nicht nach § 1908 b BGB. Vielmehr ist allein § 1897 BGB maßgeblich, der den Maßstab für die Betreuerauswahl im gesamten Instanzenzug festlegt (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 475/19 – juris Rn. 23 mwN). Entgegen diesen rechtlichen Vorgaben hat das Landgericht seiner Entscheidung jedoch § 1908 b BGB zugrunde gelegt. Damit hat es sich aber den Blick auf § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB verstellt, wonach dem Betreuervorschlag des Betroffenen zu entsprechen ist, wenn es seinem Wohl nicht zuwiderläuft, ohne dass – wie bei § 1908 b Abs. 3 BGB – maßgeblich ist, ob der Vorgeschlagene gleich geeignet wie der bereits bestellte Betreuer ist.
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3. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache ist nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
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Das Landgericht wird nun verfahrensordnungsgemäße Feststellungen zum Vorliegen der Betreuungsvoraussetzungen nach § 1896 Abs. 1, 1a, 2 BGB zu treffen haben. Sofern diese gegeben sind, wird die Betreuerauswahl nach Maßgabe des § 1897 BGB vorzunehmen sein. Dabei wird sich das Landgericht mit der Eignung (§ 1897 Abs. 1 BGB) und Übernahmebereitschaft (§ 1898 Abs. 2 BGB) der vom Betroffenen vorgeschlagenen Personen auseinanderzusetzen haben.
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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).