BGH, Beschluss vom 06. Februar 2013 – XII ZB 582/12
1. Der Vergütungsanspruch des Betreuers richtet sich gegen die Staatskasse, wenn der Betreute im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung mittellos ist.(Rn.17)
Für den Umfang des dem Betreuer gemäß § 5 VBVG zu vergütenden Zeitaufwands ist demgegenüber darauf abzustellen, ob der Betreute im Vergütungszeitraum mittellos war.(Rn.11)
2. Zum Einsatz eines Hausgrundstücks im Rahmen des § 1836c BGB i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.(Rn.21)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 24. September 2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden Betreuer) wurde mit Beschluss des Amtsgerichts – ihm zugestellt am 9. Januar 2012 – zum berufsmäßigen Betreuer des Betroffenen u.a. für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt.
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Mit Schreiben vom 12. April 2012 übersandte er dem Amtsgericht das Vermögensverzeichnis zum Stichtag vom 9. Januar 2012. Nach diesem Verzeichnis verfügte der Betroffene über eine Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung von 11.056,71 € und über ein selbst genutztes Wohnhaus nebst ehemaliger Gaststätte, das nach Schätzung des Betroffenen einen Wert von ca. 60.000 € hat, den der Betreuer im Hinblick auf den gegenwärtigen Erhaltungszustand des Hauses für überhöht hält.
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Nachdem der Betreuer den Landkreis Kassel, der dem Betroffenen seit 1. Februar 2008 Leistungen der Grundsicherung nach dem vierten Kapitel des SGB XII erbrachte, am 29. März 2012 von dem Bestehen der Lebensversicherung in Kenntnis gesetzt hatte, kündigte der Landkreis mit Schreiben vom 30. März 2012 die Rücknahme der bis dahin erbrachten Leistungen an. Mit Bescheid vom 20. April 2012, der bei dem Betreuer am 21. April 2012 einging, forderte der Landkreis die bis dahin zu Unrecht gewährten Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 17.997,80 € zurück unter Beschränkung der Rückforderung auf den aktuellen Abrechnungsbetrag der rückzukaufenden Lebensversicherung.
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Der Betreuer beantragte am 12. April 2012 für die Zeit vom 10. Januar 2012 bis 9. April 2012 die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 1.122 €. Dabei ging er davon aus, dass der Betroffene im Vergütungszeitraum vermögend war und nicht in einem Heim lebte.
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Das Amtsgericht hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 (im Folgenden Staatskasse) hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde (§ 70 Abs. 1 FamFG), und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dem Betreuer stehe für den geltend gemachten Zeitraum vom 10. Januar 2012 bis 9. April 2012 der beantragte Stundenansatz von 8,5 Stunden gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VBVG zu, da der nicht in einem Heim lebende Betroffene vermögend sei. Er habe bis zur Rückforderung des in der Lebensversicherung gebundenen Kapitals von ca. 11.000 € im April 2012 über Sparvermögen verfügt. Der Umstand, dass der Rückzahlungsanspruch des Sozialleistungsträgers bereits im Abrechnungszeitraum dem Grunde nach bestanden habe, führe nicht dazu, dass bei der Berechnung der Vergütung des Betreuers von einer Mittellosigkeit des Betreuten ausgegangen werden müsse. Denn bei der Ermittlung des Vermögensstandes finde eine Saldierung des Aktivvermögens mit den Verbindlichkeiten nicht statt.
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Zudem unterfalle das Hausgrundstück nicht dem Schonvermögen. Gemäß § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII zähle zum Schonvermögen lediglich ein angemessenes Hausgrundstück, das vom Betroffenen selbst oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt werde und nach dem Tode des Betroffenen von seinen Angehörigen bewohnt werden solle. Für die letztgenannte Voraussetzung sei hier nichts ersichtlich.
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Obwohl der Betroffene im Hinblick auf die Verwertbarkeit des Hausgrundstücks vermögend sei, könne der Beteiligte zu 1 seine Vergütung aus der Staatskasse verlangen. Diese habe in Vorleistung zu treten, weil die Verwertung des Vermögens noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde und es allgemeiner Meinung entspreche, dass der Staat für die zeitnahe Vergütung des von ihm eingesetzten berufsmäßigen Betreuers zu sorgen habe. Die Staatskasse könne sich im Weg des Regresses bei dem Betroffenen schadlos halten.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
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a) Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Betroffene im geltend gemachten Vergütungszeitraum vom 10. Januar 2012 bis 9. April 2012 vermögend war und dem Betreuer deshalb der geltend gemachte Stundenansatz von 8,5 Stunden pro Monat zusteht.
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aa) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG ist der dem Betreuer zu vergütende Zeitaufwand, wenn der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hat, in den ersten drei Monaten der Betreuung für einen vermögenden Betreuten mit achteinhalb Stunden und gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VBVG für einen mittellosen Betreuten mit sieben Stunden anzusetzen. Als mittellos gilt ein Betreuter, der die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten oder nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 d BGB). Das einzusetzende Vermögen bestimmt sich gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB nach § 90 SGB XII. Danach ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII) mit Ausnahme des in § 90 Abs. 2 SGB XII im Einzelnen aufgeführten Schonvermögens einzusetzen, soweit dies keine Härte bedeutet (§ 90 Abs. 3 SGB XII).
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Bei der Ermittlung des danach verwertbaren Vermögens kommt es, entsprechend dem Zweck der sozialhilferechtlichen Leistungen einer tatsächlichen Notlage abzuhelfen bzw. einen tatsächlichen Bedarf abzudecken, auf die tatsächlich vorhandenen und tatsächlich verwertbaren Vermögenswerte an. Dabei ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, ob den Vermögenswerten Schulden oder Verpflichtungen des Hilfebedürftigen gegenüberstehen (BVerwG Beschluss vom 21. April 1988 – 5 B 2/88 – juris Rn. 2).
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bb) Bei der dem Betroffenen zustehenden Lebensversicherung bzw. deren Rückkaufswert handelt es sich, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, um verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII (vgl. BVerwG NJW 1998, 1879, 1880 und NJW 2004, 3647 f. und Senatsbeschluss vom 9. Juni 2010 – XII ZB 120/08 – FamRZ 2010, 1643 Rn. 10 ff.).
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Dieses Vermögen war in dem Zeitraum für den der Betreuer Vergütung verlangt als Aktivvermögen vorhanden. Allein der Umstand, dass der Landkreis in der Vergangenheit soziale Hilfeleistungen erbracht hat, rechtfertigt es nicht, diese Leistungen vermögensmindernd zu berücksichtigen. Hierfür bedarf es zumindest einer Konkretisierung der Rückforderung durch Leistungsbescheid oder Überleitungsanzeige (BayObLG BtPrax 2002, 262; LG Koblenz FamRZ 2004, 1899, 1900; aA OLG Zweibrücken BtPrax 1999, 32).
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Hier ist ein Leistungsbescheid erst am 21. April 2012 und damit nach dem Ende des Zeitraums, für den der Betreuer Vergütung verlangt, diesem zugegangen. Der Betroffene verfügte daher während des Vergütungszeitraums noch über verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII. Der Betreuer kann deshalb für diesen Zeitraum eine Vergütung nach dem Stundenansatz für einen vermögenden Betreuten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG) verlangen.
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b) Das Berufungsgericht geht jedenfalls im Ergebnis auch zutreffend davon aus, dass der Betreuer die Erstattung dieser Vergütung aus der Staatskasse verlangen kann.
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aa) Vergütungsschuldner des Berufsbetreuers ist bei Mittellosigkeit des Betreuten die Staatskasse (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG) und bei vorhandenem verwertbaren Vermögen der Betreute (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG). Mit der Übernahme der Betreuungskosten erbringt die Staatskasse eine Sozialleistung (BT-Drucks. 13/7158 S. 17), die gemäß § 1836 c BGB davon abhängt, dass der Betreute über kein einzusetzendes Vermögen im Sinne des Sozialhilferechts verfügt. Der Betreute soll durch die Kosten der Betreuung nicht in seinen vorhandenen Lebensgrundlagen wesentlich beeinträchtigt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 2013 – XII ZB 478/11 – juris Rn. 10 und vom 25. Januar 2012 – XII ZB 461/11 – FamRZ 2012, 627 Rn. 17). Deshalb ist für die Feststellung, ob der Betreute mittellos oder vermögend ist, auf den Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz abzustellen (MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1836 d Rn. 12 mwN).
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bb) In dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung am 24. September 2012 hatte der Landkreis seinen Rückforderungsanspruch durch Erlass eines Leistungsbescheids vom 20. April 2012 bereits konkretisiert. Die Lebensversicherung konnte deshalb, wovon das Beschwerdegericht zutreffend ausgegangen ist, im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht mehr als verwertbares Vermögen berücksichtigt werden.
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cc) Die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, der Betroffene sei vermögend, weil das von ihm bewohnte Hausgrundstück zu seinem verwertbaren Vermögen gehöre, wird allerdings von den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht getragen.
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(1) Nach § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII gehört zu dem nicht einzusetzenden Vermögen ein angemessenes Hausgrundstück, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Dabei bestimmt sich die Angemessenheit nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf, der Grundstücksgröße, der Hausgrundgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes.
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(2) Die Auslegung von § 90 Abs. 2 Ziff. 8 Satz 1 SGB XII durch das Beschwerdegericht dahin, dass ein Betroffener, der keine Angehörigen hat, von dem Schutzbereich des § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII nicht erfasst wird, steht in Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie ist auch nicht durch den Wortlaut angezeigt.
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Die Vorschriften zum Schonvermögen sollen gewährleisten, dass die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen führt. Dem Sozialhilfeempfänger soll ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erhalten bleiben. Überdies soll verhindert werden, dass die Sozialhilfe, die im Idealfall lediglich eine vorübergehende Hilfe ist, zu einem „wirtschaftlichen Ausverkauf“ führt, damit den Willen zur Selbsthilfe lähmt und zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führt (BVerwGE 23, 149, 159). Daraus folgt, dass sie in erster Linie dem Schutz des Leistungsberechtigten dienen.
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§ 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII will ein Hausgrundstück vor einer Verwertung insoweit schützen, als es dem Leistungsberechtigten oder einer anderen Person der Einsatzgemeinschaft (§ 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII) oder den mit ihnen dort zusammen lebenden Angehörigen, die auch nach dem Tod des Leistungsberechtigten oder der anderen Person der Einsatzgemeinschaft dort wohnen sollen, als Wohnstatt dient (vgl. Hohm in Schellhorn/Jirasek/Seipp SGB XII-Sozialhilfe 18. Aufl. § 90 SGB XII Rn. 82; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf SGB XII 3. Aufl. § 90 Rn. 47; Mergler/Zink SGB XII Stand Januar 2005 § 90 Rn. 51 f. mwN). Nicht aber soll der Schutz des Hausgrundstücks davon abhängig gemacht werden, dass der Leistungsberechtigte Angehörige hat, die nach seinem Tod dort leben sollen. Der Zusatz „und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll“ bezieht sich vielmehr nach Sinn und Wortlaut auf die Angehörigen, die mit dem Leistungsberechtigten oder der anderen Person der Einsatzgemeinschaft in dem Haus wohnen. Diese Angehörigen gehören dann, wenn sie nach dem Tod der genannten Personen in dem Haus wohnen sollen, ebenfalls zu dem durch § 90 Abs. 2 Ziff. 8 SGB XII geschützten Personenkreis.
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(3) Andere Kriterien, die dagegen sprechen könnten, dass es sich bei dem von dem Betroffenen bewohnten Hausgrundstück um Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII handelt, sind weder vom Beschwerdegericht festgestellt noch von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht worden.
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dd) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist jedoch im Ergebnis richtig. Vergütungsschuldner des Betreuers ist, da ein verwertbares Vermögen nicht festgestellt ist und auch die Staatskasse von der Mittellosigkeit des Betroffenen ausgeht, die Staatskasse.