BGH, Beschluss vom 14. November 2018 – XII ZB 107/18
1. Die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung kann sich im Einzelfall bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. Februar 2017, XII ZB 604/15, BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748).(Rn.21)
2. Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen sind nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei aber nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.(Rn.33)
3. Die vom Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung einer Patientenverfügung kann vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht.(Rn.27)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 8. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000 €
Gründe
I.
1
Die im Jahr 1940 geborene Betroffene erlitt im Mai 2008 einen Schlaganfall und befindet sich seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand (ICD-10: F03). Sie wird seitdem über eine Magensonde (PEG) künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.
2
Bereits im Jahr 1998 hatte die Betroffene eine schriftliche „Patientenverfügung“ folgenden Inhalts unterzeichnet:
„Für den Fall, daß ich (…) aufgrund von Bewußtlosigkeit oder Bewußtseinstrübung (…) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich:
Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten.
Dagegen wünsche ich, daß lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist,
– daß ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozeß befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, oder
– daß keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewußtseins besteht, oder
– daß aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt, oder
– daß es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt.
Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung.
Aktive Sterbehilfe lehne ich ab.
Ich bitte um menschliche und seelsorgerische Begleitung.“
3
In derselben Urkunde erteilte sie für den Fall, dass sie außerstande sein sollte, ihren Willen zu bilden oder zu äußern, dem Beteiligten zu 1 (im Folgenden: Sohn) als ihrer Vertrauensperson die Vollmacht,
„an meiner Stelle mit der behandelnden Ärztin (…) alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen. Die Vertrauensperson soll meinen Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in meinem Namen Einwendungen vortragen, die die Ärztin (…) berücksichtigen soll.“
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Zu nicht genauer festgestellten Zeitpunkten von 1998 bis zu ihrem Schlaganfall äußerte die Betroffene mehrfach gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie habe durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren.
5
Im Juni 2008 erhielt die Betroffene einmalig nach dem Schlaganfall die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“
6
Unter Vorlage der Patientenverfügung von 1998 regte der Sohn der Betroffenen im Jahr 2012 an, ihr einen Betreuer zu bestellen, und erklärte sich zur Übernahme der Betreuung bereit. Gleichzeitig bat er darum, den Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Ehemann) zum Ersatzbetreuer zu bestellen. Das Amtsgericht bestellte daraufhin den Sohn und den Ehemann zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern der Betroffenen.
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Der Sohn der Betroffenen ist, im Einvernehmen mit dem bis dahin behandelnden Arzt, seit 2014 der Meinung, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr solle eingestellt werden, da dies dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Betroffenen entspreche. Ihr Ehemann lehnt dies ab.
8
Den Antrag der Betroffenen, vertreten durch ihren Sohn, auf Genehmigung der Therapiezieländerung dahingehend, dass künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr eingestellt werden sollten, hat das Amtsgericht abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Senat (Senatsbeschluss BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748) und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht hat dieses ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob der konkrete Zustand der Betroffenen im Wachkoma ihr Bewusstsein entfallen lässt und ob in diesem Fall eine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Nachdem der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert hatte, hat das Landgericht die Beschwerde der Betroffenen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Ehemann der Betroffenen gegen diese Entscheidung.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, bei einer erneuten Auslegung der Patientenverfügung vom 25. Januar 1998 sei unter Berücksichtigung der Ausführungen in der vorangegangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs davon auszugehen, dass diese hinreichend bestimmt und damit wirksam sei. Sie beinhalte die Entscheidung der Betroffenen, dass sie in den Abbruch der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung einwillige, wenn bei ihr ein Zustand eingetreten sei, der ihr Bewusstsein entfallen lasse und auch keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins mehr bestehe. Nachdem diese in der Patientenverfügung genannte Lebens- und Behandlungssituation aufgrund der durchgeführten Ermittlungen vorliege, sei eine Einwilligung des Betreuers in die Maßnahme, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfalle, nicht erforderlich. Die Betroffene habe diese Entscheidung bereits selbst in einer alle Beteiligten bindenden Weise getroffen. Diesem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Betroffenen habe der Betreuer Geltung zu verschaffen. Das Gericht habe in diesem Fall nur noch ein sogenanntes Negativattest zu erteilen.
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Der Wortlaut der Patientenverfügung, wonach die Betroffene keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, wenn medizinisch eindeutig feststehe, dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe, sei zwar recht pauschal. Aus der Bezugnahme auf die Behandlungssituation „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins“ ergebe sich jedoch konkret, in welcher medizinischen Situation dieser Wunsch Geltung beanspruchen solle. Der Wortlaut dieser Teile der Patientenverfügung deute zudem darauf hin, dass die Betroffene auch in den Abbruch derartiger Maßnahmen einwilligen wollte, wenn die beschriebene Behandlungssituation eintritt.
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Dem könne allerdings die in der Patientenverfügung enthaltene Formulierung „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ widersprechen. Bei einer juristischen Betrachtungsweise falle der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht unter den Begriff der aktiven Sterbehilfe. Aus Sicht der katholischen Kirche im Jahr 1998 müsse der Abbruch der künstlichen Ernährung dagegen als aktive Sterbehilfe gewertet werden. Für den Fall der theologischen Auslegung der Formulierung sei daher eine reine Wortauslegung der Patientenverfügung widersprüchlich, so dass weitere Umstände in die Auslegung einbezogen werden müssten.
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Nach den durchgeführten Ermittlungen sei davon auszugehen, dass die Betroffene einer künstlichen Ernährung ablehnend gegenüber gestanden habe. Die Betroffene habe gegenüber mehreren Zeugen geäußert, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle und durch eine Patientenverfügung entsprechend vorgesorgt habe. Zwar sei von allen Zeugen übereinstimmend berichtet worden, dass über einen Abbruch einer bereits längere Zeit durchgeführten künstlichen Ernährung nicht gesprochen worden sei. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass die Betroffene den Abbruch einer bereits eingeleiteten künstlichen Ernährung abgelehnt hätte. Daher könne ausgeschlossen werden, dass die Betroffene durch die Formulierung „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ ihren Wunsch, in den genannten Fällen keine künstliche Ernährung zu erhalten, habe unterlaufen wollen.
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Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens stehe auch fest, dass bei der Betroffenen die Lebens- und Behandlungssituation „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins“ vorliege. Bei der Betroffenen bestehe eindeutig ein Zustand schwerster Gehirnschädigung, bei der die Funktionen des Großhirns – zumindest soweit es dessen Fähigkeit zu bewusster Wahrnehmung, Verarbeitung und Beantwortung von Reizen angehe – komplett ausgelöscht seien. Lediglich Strukturen und Funktionen des Gehirnstamms, die die Wachheit der Betroffenen generieren, seien erhalten und führten zu den beobachteten Spontanbewegungen und Reflexen auf äußere Reize, die jedoch keiner bewussten Steuerung unterlägen. In seiner ergänzenden Anhörung habe der Sachverständige betont, dass das Ergebnis seiner Begutachtung letztlich auf drei Säulen beruhe, nämlich dem damaligen Geschehen, der vergangenen Zeit und der Erkenntnisse aus seiner eigenen Untersuchung der Betroffenen. Jede Säule sei für sich bereits für das Ergebnis tragfähig gewesen, dass bei der Betroffenen keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe. In der Gesamtschau ergebe sich das gefundene Ergebnis erst Recht.
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Da bei der Betroffenen somit keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe, sei im Ergebnis das sogenannte Negativattest zu erteilen.
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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass es im vorliegenden Fall einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung gem. § 1904 Abs. 2, 3 BGB nicht bedarf, weil in der von der Betroffenen errichteten Patientenverfügung gem. § 1901 a Abs. 1 BGB eine wirksame Einwilligung in den vom Sohn der Betroffenen erstrebten Abbruch der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung enthalten ist.
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a) Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. In diesem Fall ist eine Einwilligung des Betreuers, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfällt, in die Maßnahme nicht erforderlich, da der Betroffene diese Entscheidung selbst in einer alle Beteiligten bindenden Weise getroffen hat. Dem Betreuer obliegt es in diesem Fall nach § 1901 a Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch, dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 Rn. 14 und BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 13 f.).
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Unmittelbare Bindungswirkung entfaltet eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB allerdings nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29). Neben Erklärungen des Erstellers der Patientenverfügung zu den ärztlichen Maßnahmen, in die er einwilligt oder die er untersagt, verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz aber auch, dass die Patientenverfügung erkennen lässt, ob sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll. Eine Patientenverfügung ist nur dann ausreichend bestimmt, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen (Senatsbeschluss BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 Rn. 17).
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Danach genügt eine Patientenverfügung, die einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, etwa durch Angaben zur Schmerz- und Symptombehandlung, künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebung, künstlichen Beatmung, Antibiotikagabe oder Dialyse, dem Bestimmtheitsgrundsatz. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen dabei jedoch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht (Senatsbeschluss BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29). Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt. Insbesondere kann nicht ein gleiches Maß an Präzision verlangt werden, wie es bei der Willenserklärung eines einwilligungsfähigen Kranken in die Vornahme einer ihm angebotenen Behandlungsmaßnahme erreicht werden kann (Senatsbeschlüsse BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 Rn. 18; BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29 und vom 6. Juli 2016 – XII ZB 61/16 – FamRZ 2016, 1671 Rn. 46).
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Nicht ausreichend sind jedoch allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist (Senatsbeschlüsse BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 Rn. 19 und BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 29 mwN). Auch die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2016 – XII ZB 61/16 – FamRZ 2016, 1671 Rn. 46 f.; BT-Drucks. 16/8442 S. 15). Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall aber auch bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (Senatsbeschluss BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 Rn. 19 mwN).
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b) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht zu Recht angenommen, dass die Betroffene in ihrer Patientenverfügung für die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation wirksam in den vom Sohn der Betroffenen erstrebten Abbruch der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung eingewilligt hat.
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aa) Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 8. Februar 2017 (BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 Rn. 23 f.) ausgeführt, dass die Betroffene mit der Anknüpfung ihrer Regelungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die sie einwilligt oder nicht einwilligt, an die medizinisch eindeutige Feststellung, dass bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, hinreichend konkret eine Lebens- und Behandlungssituation beschrieben hat, in der die Patientenverfügung Geltung beanspruchen soll.
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Nach den vom Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei durchgeführten weiteren Ermittlungen ist diese Lebens- und Behandlungssituation vorliegend gegeben. Das Beschwerdegericht hat nach Zurückverweisung der Sache durch den Senat ein neurologisches Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob der konkrete Zustand der Betroffenen im Wachkoma ihr Bewusstsein entfallen lasse und in diesem Fall Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe. Nach Eingang des schriftlichen Gutachtens hat der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert und ergänzend zu Fragen der Verfahrensbevollmächtigten des Ehemanns der Betroffenen Stellung genommen.
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Danach besteht bei der Betroffenen eindeutig ein Zustand schwerster Gehirnschädigung, bei der die Funktionen des Großhirns – zumindest soweit es dessen Fähigkeit zu bewusster Wahrnehmung, Verarbeitung und Beantwortung von Reizen angeht – komplett ausgelöscht sind und dieser Zustand irreversibel ist. Aufgrund dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass bei der Betroffenen keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht und damit die Lebens- und Behandlungssituation vorliegt, an die die Betroffene in ihrer Patientenverfügung den Wunsch geknüpft hat, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Hiergegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
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bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung der Patientenverfügung, wonach der dort niedergelegte Wunsch der Betroffenen, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, dass bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, auch den Abbruch einer bereits eingeleiteten künstlichen Ernährung und Flüssigkeitsversorgung erfasst, frei von Rechtsfehlern.
27
(1) Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung ist für das Rechtsbeschwerdegericht bindend, wenn sie rechtsfehlerfrei vorgenommen worden ist und zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis führt, auch wenn ein anderes Auslegungsergebnis möglich erscheint. Die Auslegung durch den Tatrichter kann deshalb vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (vgl. Senatsurteil vom 18. April 2018 – XII ZR 76/17 – NJW-RR 2018, 906 Rn. 31 mwN und Senatsbeschluss vom 6. November 2013 – XII ZB 434/12 – FamRZ 2014, 98 Rn. 19 mwN). Diese Beschränkung des Prüfungsmaßstabs im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt auch für die Auslegung einer Patientenverfügung, unabhängig davon, ob diese rechtlich als eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl. MünchKommBGB/Schwab 7. Aufl. § 1901a Rn. 8) oder nur als vorweggenommene Einwilligung oder deren Verweigerung in eine ärztliche Maßnahme zu verstehen ist (so etwa Staudinger/Bienwald BGB [Neubearbeitung 2017] § 1901a Rn. 54; Spickhoff FamRZ 2009, 1949, 1950).
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(2) Solche rechtsbeschwerderechtlich relevanten Auslegungsfehler vermag die Rechtsbeschwerde nicht aufzuzeigen. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Beschwerdegericht hat bei der Auslegung der Patientenverfügung weder wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen noch allgemein anerkannte Auslegungsregeln verletzt.
29
Das Beschwerdegericht hat umfassend und sorgfältig die im vorliegenden Fall für die Auslegung der Patientenverfügung wesentlichen Umstände in seine Auslegungserwägungen einbezogen. Dabei hat es bei der Prüfung, ob die Patientenverfügung auch eine Einwilligung der Betroffenen in den Abbruch bereits eingeleiteter lebenserhaltender Maßnahmen beinhaltet, zu Recht den Aussagen der vernommenen Zeugen besondere Bedeutung beigemessen, nach denen sich die Betroffene vor ihrer eigenen Erkrankung mehrfach dahingehend geäußert hatte, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle. Zudem hat sich das Beschwerdegericht im Rahmen seiner Auslegungserwägungen eingehend mit der Frage befasst, ob die in der Patientenverfügung enthaltene Formulierung „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“, dahingehend zu verstehen sein könnte, dass die Betroffene den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ablehnt, und den hierzu gehaltenen Vortrag der Beteiligten berücksichtigt.
30
Schließlich hat das Beschwerdegericht auch nicht gegen anerkannte Auslegungsregeln und -grundsätze verstoßen.
31
Die Rechtsbeschwerde rügt insoweit, das Beschwerdegericht habe bei der Auslegung der Patientenverfügung den anerkannten Auslegungsgrundsatz nicht beachtet, wonach bei der Auslegung formbedürftiger Willenserklärungen ein aus den Umständen außerhalb der Urkunde ermittelter Wille des Erklärenden in der Urkunde einen – wenn auch nur unvollkommenen – Ausdruck gefunden haben müsse. Das Beschwerdegericht habe aufgrund der Zeugenaussagen angenommen, dass die Betroffene in den Abbruch der künstlichen Ernährung eingewilligt habe, falls bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe. Das Beschwerdegericht habe jedoch außer Acht gelassen, dass der auf diese Weise ermittelte Wille der Betroffenen in der Patientenverfügung selbst keinen Ausdruck gefunden habe.
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Mit dieser Rüge kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen.
33
Zutreffend ist allerdings ihr rechtlicher Ausgangspunkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei aber nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat (vgl. BGHZ 63, 359 = NJW 1975, 536; BGHZ 87, 150 = NJW 1983, 1610, 1611 und BGH Urteil vom 11. Februar 2010 – VII ZR 218/08 – NJW-RR 2010, 821 Rn. 12).
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Im vorliegenden Fall ist der Text der Patientenverfügung insbesondere wegen der darin enthaltenen Formulierung „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“ nach Auffassung des Beschwerdegerichts unvollkommen und daher auslegungsbedürftig. Das vom Beschwerdegericht gewonnene Auslegungsergebnis, dass die Betroffene trotz dieser Formulierung auch in den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen eingewilligt hat, wenn bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, kommt im Text der Patientenverfügung jedoch ausreichend in der Formulierung zum Ausdruck, dass die Betroffene in den von ihr bezeichneten Lebens- und Behandlungssituationen keine lebensverlängernden Maßnahmen wünscht. Hieran hat das Beschwerdegericht bei seinen Auslegungserwägungen angeknüpft und zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Teil der Patientenverfügung nach seinem Wortlaut auch den Abbruch bereits eingeleiteter lebensverlängernder Maßnahmen erfasst. Hinzu kommt, dass die Betroffene in ihrer Patientenverfügung nicht nur pauschal bestimmt hat, lebensverlängernde Maßnahmen sollen in den von ihr beschriebenen Behandlungssituationen unterbleiben. Im weiteren Text der Verfügung findet sich vielmehr auch eine Konkretisierung der ärztlichen Maßnahmen, die sie in diesen Fällen wünscht. Danach sollen Behandlung und Pflege auf Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist (vgl. schon Senatsbeschluss BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 Rn. 23). Auch dies ist ein in der Urkunde niedergelegter Anhaltspunkt dafür, dass die Betroffene mit dem Abbruch bereits eingeleiteter Maßnahmen einverstanden ist.
35
c) Da das Beschwerdegericht somit rechtsfehlerfrei das Vorliegen einer bindenden Patientenverfügung festgestellt hat, die die vom Sohn der Betroffenen beantragte Therapiezieländerung erfasst, ist im vorliegenden Fall eine Einwilligung des Betreuers in diese ärztlichen Maßnahmen, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis nach § 1904 Abs. 2 und 3 BGB unterfällt, nicht erforderlich. Das Beschwerdegericht hat daher zu Recht ein sogenanntes Negativattest erteilt (Senatsbeschlüsse BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 Rn. 26 und BGHZ 202, 226 = FamRZ 2014, 1909 Rn. 20).