BGH, Beschluss vom 09.05.2018 – XII ZB 521/17
Zu den Anforderungen und zur Bindungswirkung eines Betreuervorschlags des Betroffenen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 14. März 2018, XII ZB 589/17, FamRZ 2018, 945, und vom 19. Juli 2017, XII ZB 57/17, FamRZ 2017, 1612).(Rn.7)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 30. August 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
Gründe
I.
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Das Amtsgericht hat für den Betroffenen, der 2016 einen Hirninfarkt erlitt mit der Folge eines deliranten Syndroms mit Herabsetzung seiner kognitiven Fähigkeiten, eine Betreuung eingerichtet. Für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen, Postverkehr (mit Ausnahme der Privatpost), Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten, Vertretung gegenüber der Einrichtung und Fernmeldeangelegenheiten ist die Beteiligte zu 1, die (frühere) Lebensgefährtin des Betroffenen, zur Betreuerin bestellt worden. Für die Vermögenssorge einschließlich der Verwaltung von Immobilien ist die Beteiligte zu 2, eine Rechtsanwältin, zur Berufsbetreuerin bestellt worden.
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Das Landgericht hat die von der Beteiligten zu 1 im Namen des Betroffenen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
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1. Nach Auffassung des Landgerichts ist die Beteiligte zu 1 entgegen dem vom Betroffenen in der erst- und zweitinstanzlichen Anhörung geäußerten Wunsch nicht auch hinsichtlich der Vermögenssorge als Betreuerin zu bestellen, weil der darauf gerichtete Wunsch des Betroffenen nicht auf einer eigenständigen und dauerhaften Willensbildung beruhe. Dieser sei vor dem Amtsgericht stark verwirrt gewesen und habe Namen verwechselt. Auch in der vor dem Landgericht durchgeführten Anhörung habe er den Eindruck hinterlassen, dass er zu keinem Zeitpunkt örtlich, zeitlich und situativ orientiert gewesen sei. Es sei ihm schon nicht möglich gewesen, die in der Anhörung anwesende Beteiligte zu 1 namentlich zu benennen, und er habe sie offenbar auch mit einer anderen Person verwechselt. Da nach den Ausführungen der beauftragten Sachverständigen seine Fähigkeit zur freien Willensbildung aufgehoben sei, lasse sich eine tragfähige Willensäußerung des Betroffenen nicht feststellen.
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Die Betreuung sei darüber hinaus hinsichtlich der Vermögenssorge jedenfalls derzeit für einen ehrenamtlichen Betreuer ungeeignet. Der Betroffene verfüge über erhebliches Vermögen, welches zu großen Teilen aus Grundeigentum bestehe und nach einer Schätzung der Beteiligten zu 2 über vier Millionen Euro wert sei. Die Unterlagen des Betroffenen seien unsortiert, eine Verwaltung der vermieteten Wohnungen und Häuser habe nicht stattgefunden, hinsichtlich einer Immobilie seien die Eigentumsverhältnisse unklar. Der Betroffene habe über mehrere Jahre keine Steuererklärungen abgegeben. Zwar habe die Beteiligte zu 1 erklärt, dass sie sich die Regelung der Angelegenheiten grundsätzlich zutraue. Gleichwohl sei die Übertragung der Vermögenssorge auf die Beteiligte zu 2 geboten. Es bedürfe daher keiner weiteren Erörterung mehr, ob der vom Amtsgericht angenommene Interessenkonflikt der persönlichen Eignung der Beteiligten zu 1 als Betreuerin entgegenstehe.
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2. Das hält hinsichtlich der Betreuerauswahl einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Ein solcher Vorschlag erfordert weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Auch die Motivation des Betroffenen ist für die Frage, ob ein betreuungsrechtlich beachtlicher Vorschlag vorliegt, ohne Bedeutung (Senatsbeschlüsse vom 14. März 2018 – XII ZB 589/17 – juris Rn. 13 und vom 19. Juli 2017 – XII ZB 57/17 – FamRZ 2017, 1612 Rn. 17 mwN).
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Die Vorschrift des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB räumt dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen die vom Gericht zu treffenden Feststellungen einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis ergeben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. März 2018 – XII ZB 589/17 – juris Rn. 14 und vom 18. Oktober 2017 – XII ZB 222/17 – FamRZ 2018, 55 Rn. 11 mwN).
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b) Nach diesen Grundsätzen durfte der vom Betroffenen mehrfach geäußerte Wunsch nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dass der Betroffene örtlich, zeitlich und situativ nicht orientiert und stark verwirrt ist, schließt die Berücksichtigungsfähigkeit seines Betreuerwunsches noch nicht aus. Da die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen für einen Betreuervorschlag im Sinne des § 1897 Abs. 4 BGB nicht erforderlich ist, steht auch nicht entgegen, dass dieser nicht zur Bildung eines freien Willens im Sinne von § 1896 Abs. 1a BGB in der Lage ist. Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird vielmehr hinreichend durch die begrenzte, letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung seines Vorschlags begegnet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Juli 2017 – XII ZB 57/17 – FamRZ 2017, 1612 Rn. 17 und vom 14. Januar 2015 – XII ZB 352/14 – FamRZ 2015, 648 Rn. 19).
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Das Landgericht durfte daher vom Vorschlag des Betroffenen, dem es im Übrigen – wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht – für den größten Teil der Aufgaben sogar gefolgt ist, nur bei einem das Wohl des Betroffenen im Hinblick auf die Vermögenssorge gefährdenden Eignungsmangel der Beteiligten zu 1 abweichen. Dass ein Berufsbetreuer zur Wahrnehmung der Vermögenssorge im Allgemeinen besser geeignet sein mag, reicht für eine Außerachtlassung des Betreuervorschlags schon deshalb nicht aus, weil die Eignung des vorgeschlagenen Betreuers nicht schon dadurch entfällt, dass er nicht in der Lage ist, sämtliche Aufgaben persönlich wahrzunehmen. Vielmehr darf und wird er sich im Einzelfall auch Hilfspersonen wie eines Hausverwalters, Rechtsanwalts oder Steuerberaters bedienen. Das Landgericht hat somit die Frage der Eignung der Beteiligten zu 1 insbesondere aufgrund des sich hier möglicherweise ergebenden Interessenkonflikts zu Unrecht offengelassen.
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3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Da weitere tatrichterliche Feststellungen, auch im Rahmen einer erneuten Anhörung, erforderlich sind, ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
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Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).