BGH, Beschluss vom 07.08.2013 – XII ZB 671/12
Ein Vorsorgebevollmächtigter ist auch dann ungeeignet, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, wenn er – auch unverschuldet – objektiv nicht in der Lage ist, die Vorsorgevollmacht zum Wohle des Betroffenen auszuüben (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. März 2012, XII ZB 583/11, FamRZ 2012, 868).(Rn.8)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 30. Oktober 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.000 €
Gründe
I.
1
Die Beteiligte zu 1 wendet sich gegen die Anordnung der Betreuung für ihre Mutter.
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Die Betroffene leidet an Demenz. Im Jahr 1997 erteilte sie ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1, eine notarielle Vorsorgevollmacht. Die Beteiligte zu 1 organisierte daraufhin die Versorgung ihrer Mutter. Im Juli 2011 zog die Beteiligte zu 2, eine weitere Tochter der Betroffenen, in den Haushalt der Betroffenen ein. Seither kommt es wegen der Versorgung der Betroffenen zu erheblichen Streitigkeiten zwischen den Schwestern.
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Das Amtsgericht hat die Betreuung für die Betroffene für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge angeordnet und ihr eine Berufsbetreuerin bestellt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen, wogegen sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Vor allem ist die Beteiligte zu 1 nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt.
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2. Die Beschwerde hat indes in der Sache keinen Erfolg. Die Instanzgerichte sind zu Recht von der Erforderlichkeit der Betreuung ausgegangen, deren weitere Voraussetzungen von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen werden.
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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht der Umstand, dass die Betroffene der Beteiligten zu 1 eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt hat, der Anordnung der Betreuung nicht entgegen; auf die Frage, ob die Vollmacht möglicherweise bereits wirksam widerrufen wurde, kommt es danach nicht an.
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a) Allerdings hat die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Betreuung gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Aufgrund dieser Vorschrift ist die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung grundsätzlich nachrangig zu einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 – XII ZB 629/11 – FamRZ 2012, 969 Rn. 10). Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers jedoch dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen (Senatsbeschluss vom 7. März 2012 – XII ZB 583/11 – FamRZ 2012, 868 Rn. 12).
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Auch wenn die Redlichkeit des Vorsorgebevollmächtigten außer Zweifel steht, erfordert der Vorrang des Bevollmächtigten gegenüber der Anordnung einer Betreuung seine objektive Eignung, zum Wohl des Betroffenen zu handeln (vgl. etwa MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1896 Rn. 61). Fehlt es hieran, weil der Bevollmächtigte – etwa wie hier wegen eines eigenmächtigen und störenden Verhaltens eines Dritten – nicht in der Lage ist, zum Wohle des Betroffenen zu handeln, bleibt die Anordnung einer Betreuung erforderlich.
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b) Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht von einer fehlenden Eignung der Beteiligten zu 1 ausgegangen ist.
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Dabei hat das Landgericht zutreffend auf die gegenwärtige Situation abgestellt, wonach die Beteiligte zu 1 keine ernst zu nehmenden Anstrengungen mehr unternommen hat, die Versorgung der Betroffenen sicherzustellen, nachdem die Beteiligte zu 2 bei der Betroffenen eingezogen war, die ursprünglich von der Beteiligten zu 1 organisierten Pflegeleistungen durch den Pflegedienst bzw. durch Nachbarn und Bekannte weitgehend verdrängt sowie durch eigene – eigenmächtig veranlasste – Pflegeleistungen ersetzt hat. Wegen der damit einhergehenden erheblichen Streitigkeiten zwischen den Beteiligten sah sich die Beteiligte zu 1 ersichtlich gehindert, ihre Vorsorgevollmacht zum Wohle der Betroffenen weiterhin auszuüben. Auf den Umstand, dass die Beteiligte zu 1 nach den getroffenen Feststellungen die Versorgung der Betroffenen in der Vergangenheit trotz der relativ weiten Entfernung von ihrem Wohnsitz (Oberbayern) zu dem Wohnsitz der Betroffenen (Saarland) zufriedenstellend organisiert hat, kommt es dagegen nicht an.
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c) Zwar verkennt der Senat die Bedenken der Rechtsbeschwerde nicht, wonach ein redlicher Bevollmächtigter durch das eigenmächtige Verhalten eines Dritten aus der Vorsorgevollmacht gedrängt werden kann. Dieses Ergebnis ist indessen nicht zwingend. Vielmehr sind auch Fallkonstellationen vorstellbar, in denen der Vorsorgebevollmächtigte etwa aufgrund seiner Persönlichkeit bzw. der ihm erteilten Vollmachten durchaus in der Lage ist, ein die Ausübung der Vorsorgevollmacht störendes eigenmächtiges Verhalten eines anderen zu unterbinden. Maßgebend muss im Ergebnis immer das Wohl des Betroffenen bleiben. Dabei ist schließlich auch zu beachten, dass nicht etwa – wie die Rechtsbeschwerde anklingen lässt – der sich eigenmächtig verhaltende Dritte im Ergebnis von seinem störenden Verhalten profitiert. Denn die Konsequenz ist nicht, dass er zum Betreuer bestellt wird. Vielmehr ist ein unbeteiligter Dritter als Betreuer zu bestellen, der im Zweifel besser dazu in der Lage ist, das störende Verhalten zu unterbinden.
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Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.